Widersprüchlicher Klimawandel
24. März 2015Drei verschiedene Klimastudien aus dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zeigen in diesen Tagen, wie schwer es ist, die Konsequenzen des Klimawandels zuverlässig vorherzusagen. Viele der Effekte scheinen widersprüchlich und wie sie sich gegenseitig beeinflussen, hat die Wissenschaft noch nicht vollständig verstanden.
So könnte die in den letzten Jahrzehnten beobachtete Erderwärmung paradoxerweise dazu geführt haben, dass es an Europas Küstengebieten kälter geworden ist. Das schreiben Forscher in der Fachpublikation "Nature Climate-Change" am 23. März.
Kühleres Wasser im Nordatlantik
Das Forscherteam um Stefan Rahmstorf hatte die Temperaturentwicklung des Ozeans auf der Grundlage verschiedener Studien an Sediment- und Eisbohrkernen sowie an Korallen und Baumringen ermittelt. Das Ergebnis: Ein Teil des Nordatlantiks – südlich von Grönland – hat sich in den letzten 100 Jahren trotz der globalen Erwärmung abgekühlt.
Die Forscher des PIK vermuten nun, dass sich diese paradoxe Beobachtung aus einer Abschwächung des Golfstroms ableitet. Diese Oberflächen-Meeresströmung bringt warmes Wasser aus der Karibik zu den Küsten Zentral- und Nordeuropas. Sie ist Teil der atlantischen meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC).
Bei Grönland kühlt sich das Wasser dann ab, sinkt in die Tiefe und fließt als Tiefenströmung durch den Atlantik nach Süden ab bis hin zur Antarktis. In Grönland vermutet Rahmstorf die mögliche Ursache für die beobachtete Verlangsamung der Strömung: Durch die Erderwärmung schmelze Eis ab und fließe als Süßwasser ins Meer. Das verändere die Dichte des Wassers und das gesamte Strömungsverhalten der AMOC.
Weniger Stürme – mehr Hitze
Aus Satelliten- und Wetterdaten schließt unterdessen ein Autorenteam um den Geophysiker Dim Coumou, dass sich auch die Luftströmungen abschwächen könnten. In der Zeitschrift "Science" veröffentlichten die Forscher am 12. März eine Studie, nach der in den Sommermonaten auf der Nordhalbkugel mit weniger Stürmen zu rechnen sei.
Insgesamt gebe es also stabilere Wetterlagen. Winde transportieren im Sommer feuchte Meeresluft auf die Kontinente, was zu Regen und Abkühlung führt. Blieben diese aber aus, sei mit längeren Hitzephasen zu rechnen, wie etwa in Russland 2010.
Als Mechanismus vermuten die Forscher dahinter folgendes: Da die Polarregion verhältnismäßig mehr Hitze aufnimmt als der wärmere Rest der Nordhalbkugel, schrumpft die Temperaturdifferenz zwischen diesen beiden Bereichen. Sinken nun die Temperaturunterschiede verlangsamt oder verschiebt sich auch der Jetstream, der durch diese Unterschiede angetrieben wird.
Mehr Schnee – aber weniger Eis
Andererseits zeigt eine weitere Studie, dass die Niederschläge durch den Klimawandel dramatisch zunehmen: Gleich doppelt paradox muten die Forschungsergebnisse einer Arbeitsgruppe um PIK-Mathematikerin Katja Frieler an. Am 16 März hatte sie in "Nature Climate Change" eine Studie veröffentlicht, in der es um den zu erwartenden zunehmenden Schneefall in der Antarktis aufgrund des Klimawandels geht.
Die Wissenschaftlerin errechnete, dass der Schneefall über dem Südpol für jeden Grad Celsius Erderwärmung um fünf Prozent zunehmen werde. Der Grund: Durch die erhöhten Temperaturen nehmen der Wasserdampf in der Atmosphäre und damit die Wolkenbildung zu. Über der kalten Antarktis entlädt sich diese Wasserlast dann in Form von Schnee.
Rechnerisch würde sich daraus eine Abnahme des Meeresspiegels um etwa vier Zentimeter in Einhundert Jahren ergeben, legen die Autoren in der Studie dar. Grund zum feiern, sehen die PIK-Forscher allerdings nicht: Dieser Effekt werde durch dynamische Bewegungen der Gletscher wieder aufgefressen, vermuten sie, denn die zusätzliche Schneelast drücke das Gletschereis nur umso schneller in Richtung der antarktischen Küsten.
Dort fließen die Gletscher ins Schelfeis und schmelzen dann durch wärmere Wasserströmungen von unten wieder ab. Unterm Strich könne sich so der Meeresspiegelanstieg sogar beschleunigen - vermuten sie.