Klingelnde Hoffnung
29. Januar 2004Den Machern und Vermarktern in der deutschen Musikindustrie ist nicht unbedingt zum Feiern zumute. Ein Blick auf ihre Geschäftszahlen des vorigen Jahres verdirbt ihnen die Laune. Der Bundesverband der Phonografischen Wirtschaft hat den Umsatzrückgang für 2003 auf rund ein Fünftel beziffert - eine verheerende Zahl. Vor allem die vielen Raubkopien machen der Musikindustrie zu schaffen. An ihnen verdienen weder Musiker noch Produzenten einen Cent.
Suche nach Ideen
Die Branche braucht deshalb dringend neue Geschäftsideen. Eine solche Idee, die es in den vergangenen drei Jahren zur Marktreife gebracht hat, haben die Kreativen in den Plattenfirmen nicht selbst erdacht; sie ging aus einer Jugend-Mode hervor: es sind Klingeltöne fürs Handy.
In England entwickelte sich der Markt für Klingeltöne im Jahr 2003 zu einem ernsthaften Geschäftsfeld. Einem Bericht der BBC zufolge wurden dort "ringtones", wie sie dort heißen, im Wert von 70 Millionen Pfund verkauft. Im Jahr 2002 hatte der Umsatz noch 40 Millionen Pfund betragen. Für 2004 sei mit einer weiteren Steigerung zu rechnen. Mittlerweile komme es in Einzelfällen vor, dass eine Musikmelodie als Klingelton häufiger verkauft werde, als in Form einer handelsüblichen Single-CD. Mit diesen erwirtschaftet die englische Musikindustrie jährlich etwa 150 Millionen Pfund.
Lukratives Geschäft
Klingeltöne sind derzeit oft noch monophone Versionen von aktuellen oder früheren Chart-Hits. Es sind also keine Originale sondern einfache Kopien, die zum Abspielen auf Handys geeignet sind. Einige dieser Versionen erinnern an einfache Heimorgel-Musik aus den 1980er-Jahren. Diese laden sich Handy-Besitzer über Internet-Seiten oder per SMS-Bestellung auf ihre Mobiltelefone, wo sie dann bei einem Anruf erklingen. In England kostet ein solcher Ton zwischen 1,50 Pfund und 3,50 Pfund. Und auf den high-tech-Telefonen trendbewusster Handy-Nutzer wechseln die Klingeltöne so schnell wie die Hits in den Charts.
Dieser Markt wird zur Freude der Musik- und Mobilfunkindustrien auch in Deutschland immer lukrativer. "Musik ist im Mobilfunk ein Bereich, der sich sehr schnell und erfolgreich weiter entwickelt", sagt die deutsche Vodafone-Sprecherin Bettina Donges, "und darauf ist auch die Musik-Industrie aufmerksam geworden."
Marktführer Yamba
Die Verkaufskanäle haben freilich nicht Musik-Firmen eingerichtet, sondern IT- und Mobilfunkunternehmen, die technisch offenbar über ein größeres Know-How und mehr Cleverness verfügen als die Musikindustrie. Viele Klingeltöne werden beispielsweise über Internet-Seiten wie Bravo.de oder Yamba.de verkauft. Große Anbieter sind außerdem T-Mobile und Vodafone.
Yamba.de sieht sich nach eigenen Angaben als größten Online-Verkäufer von Klingeltönen. "Wir haben voriges Jahr zehn Millionen Klingeltöne verkauft", sagt der Unternehmenssprecher Tilo Bonow. "Das war im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 300 Prozent." Für 2004 erwartet Yamba eine weitere Steigerung des Umsatzes. Ein Klingelton koste bei Yamba in der Regel 1,99 Euro. Davon führt das Unternehmen etwa ein Drittel an die Musikindustrie ab und ein weiteres Drittel an Mobilfunkbetreiber.
Vom Klingelton zum Realtone
Anders als der Yamba-Sprecher nennen die deutschen Musik-Manager und ihre Partner in den Mobilfunk-Zentralen äußerst ungern Umsatzzahlen vom Klingelton-Markt. "Die Geschäftsmodelle werden noch getestet", heißt es bei T-Mobile. Man wolle nicht zuviel verraten, solange man in Verhandlungen stehe. T-Mobile hat zum Beispiel einen Vertrag mit Universal Mobile geschlossen, einer Abteilung von Universal Music International. Bei dem Unternehmen stehen Künstler unter Vertrag wie die Chart-Stürmer Black Eyed Peas, die Berliner Philharmoniker, Shaggy, U2 und Zucchero. Über T-Mobile will Universal noch dieses Jahr so genannte Realtones an Handy-Nutzer verkaufen. Im Gegensatz zu den monophonen Klingeltönen sind dies Originale, wie man sie von der CD oder aus dem Radio kennt. Damit könnte aus der Jugend-Mode endgültig ein lukratives Geschäftsmodell für die Musikindustrie werden.