KNA-Chef: "Alle überrascht!"
11. Februar 2013Deutsche Welle: Kommt die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. aus heiterem Himmel?
Ludwig Ring-Eifel: Das kann man wohl sagen. Es waren alle überrascht. Nicht nur in Deutschland, auch in Rom. Selbst sein Pressesprecher sagte in der Pressekonferenz, er sei völlig überrascht worden. Diese Überraschung ist ihm wirklich gelungen.
Ist das eine einsame, ganz persönliche Entscheidung des Papstes gewesen?
Normalerweise berät er sich bei wichtigen Fragen mit den Kardinälen und seinen engsten Vertrauten.
Ich nehme stark an, dass er sich mit seinem Bruder beraten hat. Und auch mit seinem Privatsekretär Erzbischof Gänswein, vielleicht auch mit dem Kardinal Staatsekretär Bertone. Aber auch nur mit einem ganz kleinen Kreis von engsten Vertrauten.
Haben Sie als Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur in irgendeiner Form damit gerechnet?
Nein, überhaupt nicht. Also es war schon deutlich zu sehen, dass er älter wurde. Dass ihm das Gehen schwer fiel, dass er immer gebeugter war. Und dass ihm das Lesen teilweise schwerer fiel. Also da waren schon Alterserscheinungen unübersehbar. Aber dass es jetzt zu so einem Punkt gekommen war, dass er sagen musste, jetzt kann ich dieses Amt nicht mehr ausüben, das war einfach von außen nicht absehbar.
Wie sieht es denn mit seinem geistigen Gesundheitszustand aus? Gab es da Anlass zur Sorge?
Also da gibt es keine Zweifel, dass er noch völlig klar und wach war und ist. Was er wohl gemerkt hat - dass ihm die tägliche Arbeit einfach schwer gefallen ist. Man muss sich ja vorstellen: Der Mann ist 85 und hatte trotzdem eine 7-Tage-Woche und einen 10-Stunden-Tag. Also das geht schon auf die Substanz. Und da war ganz klar, dass er da irgendwann die Konsequenzen ziehen würde. Aber dass es so früh kommen würde, das war das Überraschende.
Welche Rolle hat denn die Verantwortung dabei gespielt, die er als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche getragen hat. Das lastet auf jemand, der nicht mehr so jung ist, vielleicht doppelt und dreifach. Hat er sich da mit seiner vielleicht auch sehr deutschen Art manches zu sehr zu Herzen genommen?
Also ich glaube, dass er diese Dinge anders erlebt hat als sein Vorgänger. Sein Vorgänger, Papst Johannes Paul II., hat mit schwerer Krankheit dieses Amt noch getragen und das hat Benedikt damals als Kardinal noch miterlebt. Und wahrscheinlich hat er sich damals schon geschworen, wenn ich mal so alt bin und merke, dass ich schwächer werde, dann will ich das nicht genauso erleben, wie Johannes Paul das erlebt hat. Und dass das wesentlich zu seiner jetzigen Entscheidung beigetragen hat, dieses Vorbild, das er da vor Augen hatte.
Was denken Sie, was für eine Rolle haben die aktuellen Ereignisse des letzten Jahres gespielt?
Ich denke, er hat in den letzten Jahren schon gespürt, dass die Kirche sehr viel Gegenwind erlebt, nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen Ländern auch. Und dass gerade in dieser Situation natürlich ein starkes Oberhaupt der Katholischen Kirche erforderlich ist, jemand, der das mit neuen Impulsen und neuen Initiativen bewegen kann. Und da hat er vielleicht gemerkt, dass er nur noch in einer Verteidigungshaltung am Ende war. Und nichts mehr selber gestalten konnte.
Was passiert denn jetzt an diesem Stichtag, dem 28. Februar?
Was am 28.Februar genau passieren wird, wissen wir alle noch nicht. Am 27.Februar steht auf seinem Terminkalender die letzte Generalaudienz. wo er gewissermaßen die Möglichkeit haben wird, sich von den Gläubigen in Rom zu verabschieden. Am 28. wird er dann umziehen nach Castel Gandolfo, in die Sommerresidenz des Papstes, wo er vorübergehend wohnen wird. In der Zeit wird dann im Vatikan ein altes Kloster für ihn umgebaut, in dem er dann den Rest seines Lebens verbringen wird. Was ansonsten passieren wird, die Vorbereitung der Papstwahl, das Konklave, das wird genauso sein, als ob er gestorben wäre. Also ab dem 28. abends um 8 Uhr ist der Stuhl Petri, wie es heißt, vakant. Es gibt dann keinen Papst mehr. Und dann muss innerhalb von 15, spätestens von 20 Tagen ein neuer Papst gewählt werden.
Das ist ja auch ein Machtvakuum. Was bedeutet das denn für das Amt in der Zwischenzeit?
Das ist, wie gesagt, nicht anders, als wenn der Papst stirbt. Es gibt für die Zeit dieser Sedisvakanz klare Vorschriften: in dieser Zeit übernimmt das Kardinalskollegium gewissermaßen geschäftsführend die laufenden Dinge im Vatikan, darf aber keine Entscheidungen mehr treffen. Und das ist ein 14-tägiges oder dreiwöchiges Machtvakuum, das haben Sie schon richtig beschrieben.
Wie schätzen Sie das ein, was dieser Rücktritt für einen Nachhall bei den Gläubigen hat?
Ich glaube, dass es paradoxerweise das Amt aufwerten wird, weil einfach der Respekt vor diesem Handeln aus einem Pflichtbewusstsein doch bei den meisten Gläubigen sehr groß sein wird. Ich habe bislang keine einzige Äußerung gehört oder gelesen, die nicht von tiefem Respekt vor dieser Entscheidung geprägt wäre.
Wenn sie noch mal einen Blick zurück werfen - als Fachjournalist. Sie haben ihn in seinem Amt und als Person sehr eng beobachtet und begleitet, was hat seine Amtszeit für Deutschland und die deutschen katholischen Gläubigen bedeutet?
Die deutschen Katholiken hatten es mit ihm nicht ganz so leicht, wie die polnischen Katholiken mit ihrem polnischen Papst. Das lag daran, dass Papst Benedikt in vielem doch viel stärker "römisch" dachte, als dass er deutsch dachte. Und er war auch in vielem konservativer, als es viele deutsche Katholiken sind. Ich glaube, dass es trotzdem für die deutschen Katholiken ein sehr fruchtbares Pontifikat war, weil sie sich mit diesem Denken doch sehr intensiv auseinandersetzen mussten. Und Konflikte dieser Art haben ja auch was Fruchtbares. Und ich denke, dass man in den kommenden Jahren erst merken wird, was man an diesem Papst gehabt hat.
Ludwig Ring-Eifel ist Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur KNA.