Knappes Ergebnis bei Wahl in Bulgarien
12. Juli 2021Nach der zweiten Parlamentswahl innerhalb von gut 100 Tagen in Bulgarien zeichnet sich ein hauchdünner Sieg der populistischen Partei ITN ("Es gibt so ein Volk") des Entertainers Slawi Trifonow ab. Die ITN lag nach einem amtlichen Zwischenergebnis vom Montag mit 23,91 Prozent auf Platz eins vor der bürgerlichen GERB-Partei von Ex-Ministerpräsident Boiko Borissow (23,69 Prozent).
Weiter wachsen dürfte der Vorsprung der erst 2020 gegründeten systemkritischen Entertainer-Partei nach der Auszählung der Stimmen von Bulgaren in 68 Ländern - darunter in Deutschland und Österreich. Die ersten Prognosen nach der Wahl hatten zunächst einen hauchdünnen Vorsprung für Borissow ausgemacht. Laut den Meinungsforschern von Gallup International ist es unwahrscheinlich, dass sich das prognostizierte Wahlergebnis noch einmal dreht.
Amtliche Endergebnisse soll es erst binnen vier Tagen geben. Die Neuwahl wurde notwendig, weil sich die zerstrittenen Parteien nach der ersten Abstimmung vom 4. April nicht auf eine Koalition einigen konnten. "Die Unterstützung, die ITN erhielt, ist erstaunlich", schrieb der Entertainer Trifonow auf Facebook.
"Zeit für etwas Anderes"
Der 54-Jährige trat bei dieser Wahl selbst nicht an. Er wolle am Montag seine konkreten Pläne bekannt geben. Seine Partei gehört zu keiner politischen Familie im EU-Parlament. Die ITN forderte das politische Establishment mit dem Wahlslogan "Es ist Zeit für etwas Anderes" heraus. Sie will unter anderem das Mehrheitswahlrecht einführen und die staatlichen Hilfen für die Parteien drastisch verringern.
ITN ist auf Koalitionspartner in der Volksversammlung mit insgesamt 240 Parlamentariern angewiesen, um zu regieren. In Frage kämen zwei weitere sogenannte Protestparteien - die konservativ-liberal-grüne Anti-Korruptions-Koalition Demokratisches Bulgarien DB und die kleine Partei "Richte dich auf! Mafiosi raus!".
Die Seuche Korruption
Korruption ist für Bulgarien ein großes Problem: Seit dem EU-Beitritt 2007 stand das Land deswegen unter Sonderbeobachtung aus Brüssel. Sollten sich die Prognosen bestätigen, wäre dies für Borissows GERB die erste Wahlniederlage seit 2009. Die GERB hatte die Wahl vor drei Monaten noch mit gut 26 Prozent gewonnen. Im Europaparlament gehört sie ebenso wie die deutschen Christdemokraten (CDU) und Christsozialen (CSU) zur Europäischen Volkspartei (EVP). Borissows frühere Regierung - seine dritte mit kurzer Unterbrechung - war wegen Korruptionsvorwürfen massiv in die Kritik geraten. Die von Staatschef Rumen Radew eingesetzte jetzige Übergangsregierung enthüllte zahlreiche Missstände, Korruptionspraktiken und Versäumnisse der alten GERB-Regierung.
ml/qu(dpa, rtr, afp)