Knochen zum Ausdrucken
1. April 20153D-Drucker können heutzutage fast alles drucken: Schuhe, Waffen und sogar Knochen. Wissenschaftler auf der ganzen Welt drucken bereits seit einiger Zeit Knochen-Ersatzteile. An der Universität Freiburg gehen Forscher nun noch einen Schritt weiter und wollen mit einem 3D-Drucker Knochen mit eigenen Blutgefäßen herstellen. So stehen die Chancen besser, dass sich die Knochen schnell mit dem umliegenden, natürlichen Gewebe verbinden.
"Diese Methode sollte einen entscheidenden zeitlichen Vorteil bringen", sagt Günter Finkenzeller, Leiter für Forschung und Tissue Engineering am Universitätsklinikum Freiburg. "Dann müßten sich die gedruckten Blutgefäße nur noch mit den Original-Blutgefäßen des Empfängers verbinden. So könnte das Implantat relativ zeitnah mit Blut versorgt werden."
Bei anderen Methoden, die in der medizinischen Literatur schon dokumentiert worden sind, müssen die Blutgefäße erst aus dem umliegenden Gewebe nachwachsen. Das kann ein bis zwei Wochen dauern, aber bis dahin ist bereits viel künstliches Gewebe abgestorben.
Hydro-Gel aus der Druckerpatrone
Es wird noch eine Zeit lang dauern, bis Finkenzeller, Peter Koltay, der Co-Leiter des Projektes, und ihre Kollegen wirklich in der Lage sein werden, Knochen inklusive der Gefäße drucken zu können. Gerade erst haben sie ein Forschungsstipendium von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) in Höhe von 460.000 Euro bekommen. Es wird ihre Arbeit drei Jahre lang finanzieren. Start ist in zwei bis drei Monaten.
Der erste Schritt wird sein, einen geeigneten Drucker zu entwickeln. Eines der Probleme dabei sind die Materialien. Denn es sind meistens Kunststoffe. Sie sind zwar äußerst funktionell und widerstandsfähig, aber der menschliche Körper verträgt sie nicht besonders gut.
"Wir wollen einen 3D-Drucker entwickeln, der es erlaubt, mit bestimmten Flüssigkeiten - mit sogenannten Hydro-Gelen - zu drucken, die mit menschlichen Zellen versehen sind", sagt Finkenzeller der DW. "So wollen wir dreidimensionales Knochenersatzgewebe aufbauen. In erster Linie wollen wir Osteoblasten drucken. Das sind Zellen, die Knochen aufbauen. Wir beabsichtigen auch, Endothel-Zellen zu drucken, also Zellen, die Blutgefäße auskleiden."
Kurz gesagt, die Forscher arbeiten an einem 3D-Drucker, der Hydro-Gele dort verwendet, wo bei regulären Druckern Tintenpatronen eingesetzt werden. Damit die Maschine Knochengewebe komplett mit Blutgefäßen erzeugen kann, die der Körper nicht abstößt, sollen dem Hydro-Gel idealerweise auch körpereigene Zellen beigefügt werden.
Finkenzeller sagt, dass dafür in Zukunft Stammzellen verwendet werden könnten. Es gibt sie überall im Körper, und sie könnten aus dem Fettgewebe gewonnen werden. Im Labor würden Forscher diese Stammzellen in Knochenzellen "verwandeln" und dann den Hydro-Gelen zum Drucken hinzufügen.
Ein großer Schritt in Richtung individualisierte Medizin
Die Wissenschaftler in Freiburg erwarten nicht, dass sie es während des drei Jahre dauernden Forschungsprojekts schaffen, vollständig funktionsfähige Knochen drucken zu können. Das zu erreichen und die Methode dann Ärzten und Krankenhäusern in großem Umfang zugänglich zu machen, ist ein langfristiges Ziel.
Wenn es dann aber so weit ist, könnten 3D-Drucke dem Konzept der individualisierten Medizin eine vollkommen neue Bedeutung geben. Durch Röntgen und Computertomographie (CT) können Ärzte exakte Bilder der Knochenteile erstellen, die bei einem Patienten ersetzt werden müssen. Die 3D-Drucker der Zukunft könnten dann die Form dieser einzelnen Teile exakt reproduzieren und mit den Stammzellen des Patienten einen perfekten Ersatz drucken.
Das könnte beispielsweise auch in der Behandlung von Knochenkrebs eingesetzt werden, bei dem die Krebszellen Knochengewebe befallen. Es ist aber bei weitem nicht der einzige Bereich, in dem 3D-Drucker für große medizinische Fortschritte sorgen könnten.
"Das ist ein medizinischer Anwendungsbereich, der ein unheimlich hohes Potenzial hat. Das gilt nicht nur für Knochengewebe, sondern für jedes andere Gewebe, das ersetzt werden muss", sagt Finkenzeller. "Es kann Haut sein oder zum Beispiel auch Knorpel. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen an Arthrose leiden, könnte man es auch dafür einsetzen."
Druck einer Leber
John Hunt geht noch einen Schritt weiter. Der Direktor des UK Zentrums für Tissue Engineering in Liverpool sagt, dass 3D-Drucker eines Tages in der Lage sein werden, komplette Organe zu drucken.
"Sie können absolut alles drucken. Das ist das wunderbare mit dem 3D-Druck”, so Hunt gegenüber der DW. Wir könnten sogar anfangen, über den Druck eines Pankreas, einer Leber oder etwas ähnlichem nachzudenken.“
Eine menschliche Leber drucken, das hört sich an wie reinste Science Fiction. Hunt räumt ein, dass ein solcher Ausdruck vermutlich nicht hundertprozentig einer menschlichen Leber entsprechen würde, die etwa aus einem Transplantationszentrum kommt.
"Sie müssen ein bisschen über den Tellerrand schauen", sagt Hunt. "Wir müssen ja nicht direkt eine ganze Leber drucken, so wie wir sie kennen. Wir können etwas drucken, das metabolisch so funktioniert wie eine Leber, aber es muss eben nicht wie eine Leber aussehen."
Ein großes Plus: Der Patient müsste nicht jahrelang auf eine Organspende warten. Vermutlich würde es eine Zeit lang dauern, bis das ausgedruckte Organ ordnungsgemäß im Körper funktioniert. Aber der britische Wissenschaftler ist überzeugt, dass es sich dabei um einen begrenzten Zeitraum handelt und dass die Vorteile überwiegen.
"Es muss gar nicht so kompliziert sein”, so Hunt. "Die Karten von alten Städten beispielsweise sind ein totales Durcheinander mit komplizierten, verschlungenen Straßen. Die Karten von neuen Städten hingegen sind linear, mit geraden rechten Winkeln, und alles ist ungeheuer effizient."
Das Gleiche könnte auf gedruckte Organe zutreffen. Vermutlich wissen die Forscher in sieben bis zehn Jahren mehr.