Koalaschutz - ein Muss
11. Februar 2022Die Bilder der gigantischen Buschfeuer in Australien zwischen August 2019 und März 2020 gingen um die Welt. Koalas wurden das tragische Symbol für das Ausmaß der Brände.
Die Bilder von Tieren mit angesengtem Fell und verbrannten Pfoten waren herzzerreißend.
Nach Schätzungen der Umweltorganisation WWF wurden dabei mehr als 60.000 der nur in Down Under heimischen Koalas getötet, verletzt, vertrieben oder traumatisiert.
Nun zieht Australiens Regierung Konsequenzen: In den Bundesstaaten New South Wales und Queensland sowie im Australian Capital Territory mit der Hauptstadt Canberra wird der Gefährdungsstatus der Beuteltiere offiziell von "vulnerable" (gefährdet) auf "endangered" (bedroht) hochgesetzt, wie Umweltministerin Sussan Ley mitteilte.
Höchste Zeit
Doch nicht nur die verheerenden jüngsten Buschbrände, auch anhaltende Dürren, Krankheiten und der Verlust des Lebensraums hätten in den vergangenen 20 Jahren zu einem starken Rückgang der Koala-Population geführt.
Offizielle Zahlen zu den an der australischen Ostküste lebenden Koalas gibt es nicht. Umweltschützer gehen aber davon aus, dass die Zahl von 185.000 Tieren im Jahr 2001 auf 92.000 im Jahr 2021 gesunken ist. Nach Angaben der Naturschutzorganisation Australian Conservation Foundation genehmigte die Zentralregierung in den vergangenen zehn Jahren die Rodung von mehr als 25.000 Hektar der Koala-Lebensräume.
Die Hochstufung des Schutzstatus sei auf Grundlage von zwei wissenschaftlichen Studien erfolgt, teilte die Tierschutzorganisation International Fund for Animal Welfare (IFAW) mit. Diese hätten ergeben, dass die Koala-Population im tropischen Queensland seit 2001 um mindestens 50 Prozent eingebrochen ist und Koalas in New South Wales sogar vom Aussterben bedroht sind.
"Die Entscheidung für den höheren Schutzstatus war nun dringend notwendig", sagte Rebecca Keeble, IFAW Regionaldirektorin Ozeanien. Die australische Regierung habe es versäumt, frühzeitig Maßnahmen zum Schutz der Koalas zu ergreifen, mahnt sie.
"Es hätte nicht so weit kommen dürfen, dass Australien nun Gefahr läuft, eine nationale Ikone zu verlieren", so Keeble. Die Lage der Koalas müsse ein Weckruf für Australien sein und die Regierung dazu bewegen, ihre Anstrengungen zu beschleunigen. "Wichtige Lebensräume müssen vor Bebauung und Rodung geschützt und die Auswirkungen des Klimawandels mit Nachdruck angegangen werden."
Eat, sleep, repeat
Australien besitzt eine unglaubliche Artenvielfalt an heimischen Tieren. Der Koala - "Phascolarctos cinereus" - ist einer der bekanntesten Vertreter von Down Under. Und er ist ein endemischer Beutelsäuger, kein Bär, wie er oft fälschlicherweise bezeichnet wird.
Ein Koala-Alltag besteht aus 18 bis 20 Stunden Schlaf. Während der Wachphasen steht Nahrungsaufnahme an oberster Stelle. Es gilt, bis zu ein Kilogramm Eukalyptusblätter zu finden und zu futtern. Das muss an lebenserhaltenden Maßnahmen vorerst ausreichen.
Was die Verpflegung angeht, sind Koalas nebenbei auch noch äußerst wählerisch. Von den über 700 Arten von Eukalyptus, die in Australien vorkommen, sind ihnen nur etwa 50 gut genug.
Was divenhaft klingt, ist vielmehr ein Dilemma. Denn diese reine Eukalyptus-Diät macht das Überleben in schwindenden Lebensräumen nicht gerade leichter. Doch Koalas sind auf die Blätter sozusagen hyperspezialisiert - sie enthalten ein für sie lebensnotwendiges Öl. Sogar der Reifegrad der Blätter muss stimmen, da die Blätter sonst zu giftig sind.
Faszinierende Verdauung
Bei der Verdauung der faserigen Blätter hilft den Koalas ein außergewöhnliches Organ: Caecum - der Blinddarm. Andere Säugetiere und auch wir Menschen besitzen zwar ebenfalls einen Blinddarm, der des Koalas ist jedoch im Vergleich dazu sehr lang, etwa 200 Zentimeter (gegen rund 8cm beim Menschen). Millionen von Bakterien spalten die sonst unverdaulichen Ballaststoffe des Eukalyptus auf. Trotz dieser Optimierung ist der Koala-Darm jedoch nicht in der Lage, mehr als 25 Prozent der Ballaststoffe aufzunehmen. Also heißt es: viel fressen.
Dieses ewige Eukalyptus-Fressen ist auch ein Grund für die langen Schlafphasen der Tiere. Die Stoffwechselrate von Koalas ist sehr niedrig und Eukalyptus ist sowohl giftig als auch nährstoffarm. Die Verdauung benötigt ungemein viel Energie. Die Strategie der Koalas: viel fressen und noch mehr schlafen.
Ein Baum als Lebensraum
Was die Lebensraum-Problematik außerdem erschwert: Koalas leben in komplexen sozialen Gruppen und sind nicht, wie oft angenommen wird, umherwandernde Tiere. Sie sind sehr heimatverbunden.
Jeder Koala hat sein Heimatrevier (auch Heimatstätte oder Home Range genannt) mit ein paar Lieblingsbäumen, die er in regelmäßigen Abständen aufsucht. Diese Heimstätte überlappt wiederum mit der Heimstätte anderer Koalas.
Das heißt, Koalas bleiben ihr gesamtes Leben sehr auf ihr angestammtes Territorium fixiert. Selbst wenn ein Koala gestorben ist, werden die anderen Tiere das "leere" Revier für ungefähr ein Jahr nicht betreten. So lange dauert es etwa, bis der Witterungsgeruch und die Kratzspuren als Markierungen an den Bäumen verschwunden sind.
Nicht stressen!
Die größte Bedrohung für wildlebende Koalas ist die Zerstörung - auf welche Art und Weise auch immer - ihres Lebensraums, was puren Stress für die Tiere bedeutet.
Während Koalas sonst ein relativ beschauliches, reizarmes Leben führen, reagieren sie auf viele Bedrohungen wie Futtermangel, Kollisionen mit Fahrzeugen und Angriffe von Hunden intensiv und körperlich.
Ein gestresster Koala wackelt mit den Ohren, bekommt eine Art nervösen Schluckauf, der dem gequälten Grunzen eines Schweins ähnelt, und es schüttelt ihn beim Hicksen.
Aus dem Gleichgewicht
Und noch schlimmer: Studien haben gezeigt, dass sich dauerhafter Stress - etwa durch ein Umweltrauma - auch auf das Immunsystem der Koalas auswirken und sogar eine Chlamydien-Infektion hervorrufen kann.
Chlamydien sind Bakterien, die natürlicherweise bei den meisten gesunden Koalas auftreten. Manchmal können diese Bakterien auch zur Erkrankung der Geschlechtsorgane und der Augen schwacher Tiere führen, was in der Regel tödliche Folgen hat. In wildlebenden Koala-Populationen sind Chlamydien quasi ein natürlicher Kontrollmechanismus, der die Populationen auf eine für den Wald verträgliche Menge beschränkt.
Bei dauerhaftem Stress führe der ständige Druck dazu, dass das Immunsystem der Koalas überfordert sei, so die Forschenden.
Die guten Nachrichten
Ein wenig Hoffnung gibt seit Oktober 2021 eine neue Impfung gegen die Chlamydien-Infektion, die die Tiere unfruchtbar werden lässt. Das neue Vakzin hat inzwischen die ersten beiden Testphasen durchschritten und hat sich dabei als sicher und effektiv erwiesen.
Doch die noch bessere Lösung wäre sicherlich, den Umweltstress völlig von den Koalas fernzuhalten. Die Umweltschützerin Alexia Wellbelove von der Organisation Humane Society International warnte, Koalas an der australischen Ostküste könnten bereits im Jahr 2050 ausgestorben sein, wenn die Politik keine weiteren Maßnahmen ergreife. Das möchte hoffentlich wohl niemand riskieren.