Koalition der Abhängigen
2. April 2003Immer wieder hatte George W. Bush eine "breite, internationale Unterstützung" für einen Irak-Krieg angekündigt. Die hat er nun bekommen. Ob es den "Willigen" bei ihrer Unterstützung allerdings vornehmlich um die "sofortige Entwaffnung" des Irak geht, darf bezweifelt werden. Hans-Joachim Schmidt von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) ist überzeugt, dass die Mehrheit der Staaten vielmehr auf eine wirtschaftliche oder politische Belohnung ihres Beistandes hoffen. Auf das Kriegsgeschehen selbst würden sie mit Ausnahme des engsten Verbündeten Großbritannien kaum Einfluss nehmen, so Schmidt zu DW-WORLD.
Solidarität als einzige Option
Schmidt sieht lediglich bei den USA, Großbritannien und Spanien Motive, die über ein rein materielles Interesse hinausgehen. "Sie eint ein religiös motiviertes Sendungsbewusstsein." Ansonsten gehe es den Ländern vor allem darum, sich als treue Verbündete der Supermacht zu bewähren. Diese Ansicht teilt auch Ulrike Borchardt von der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg (AKUF). "Viele Staaten haben gar keine andere Wahl, als sich mit den USA zu solidarisieren", so Borchardt im Gespräch mit DW-WORLD. Dies sei beispielsweise bei Afghanistan der Fall. "Das Land hängt immer noch am militärischen und finanziellen Tropf der USA". Auch die Regierungen von Ländern wie Kolumbien brauchen die USA für ihr eigenes politisches Überleben. Der kolumbianische Präsident Alvaro Uribe kämpft mit Hilfe von US-Militärs gegen Guerilla und Drogenhandel.
Andere Länder wie Usbekistan hoffen ihre eigene Position zu stärken. Laut Schmidt strebt Usbekistan eine Vormachtrolle in Zentralasisen an und hofft dabei, dass die Amerikaner langfristig Militärbasen im Land unterhalten. Ähnliche Motive verfolgen die ehemaligen Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Georgien. Hier sei zusätzlich das gespannte Verhältnis mit Russland zu berücksichtigen, meint die Friedensforscherin Borchardt. So nehme gerade Georgien gerne eine Kontra-Haltung zu Russland ein.
Nachwirkungen des Kalten Krieges
Auffallend ist die große Zahl osteuropäischer Staaten auf der Liste der "Willigen", allesamt Beitrittskandidaten oder -anwärter der Europäischen Union (EU). Polen, Rumänien, Tschechien, Ungarn, die Slowakei sowie Estland, Lettland und Litauen haben ihre Unterstützung signalisiert. Polen hat für seinen amerikafreundlichen Kurs wenige Monate vor der Unterzeichnung der Verträge der EU-Erweiterung vom französischen Präsident Jacques Chirac schon einen kräftigen Rüffel bekommen. Doch die Staaten des ehemaligen Ostblock - seit kurzem Mitglieder im Militärbündnis NATO - sehen nach Ansicht Borchardts in den Vereinigten Staaten derzeit wohl einen verlässlicheren Partner als im zerstrittenen Europa. "Im Erweiterungsprozess ist dadurch allerdings schon viel Porzellan zerschlagen worden."
Das könnte der Grund dafür sein, weshalb Bulgarien, das sich bislang immer offen zur Unterstützung der USA bekannt hat, auf der Liste der "Willigen" nicht aufgeführt ist. Vielleicht will das Land die Beziehungen zur EU nicht weiter belasten. Vorausschauend agiert auch Japan. Schmidt vermutet, dass das Land China und Nordkorea zunehmend als Bedrohung wahrnimmt und deshalb den Schulterschluss mit dem einstigen Feind des Zweiten Weltkriegs übt, ebenso wie Südkorea. "Das Land hofft im Nordkorea-Konflikt auf eine Vermittlung der USA", sagt Schmidt.
B-Liste ohne Namensnennung
Bulgarien ist nicht das einzige Land, das auf der Liste der "Koalition der Willigen" fehlt. Die arabischen Staaten werden nicht genannt. Dabei ist eigentlich bekannt, dass Staaten wie Jordanien, Ägypten, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien oder Katar die USA bei der Stationierung der Truppen oder durch Überflugrechte unterstützen. Schmidt glaubt, dass auf die öffentliche Nennung verzichtet wurde, weil man die islamische Bevölkerung in diesen Ländern nicht zusätzlich in Rage bringen will. Diese Länder stehen wahrscheinlich auf einer Art B-Liste von rund 15 "inoffiziellen" Unterstützern. Die will das US-Außenministerium nicht bekannt geben.