Kobane fast vollständig eingekesselt
11. Oktober 2014Die kurdischen Verteidiger von Kobane sollen inzwischen an fast allen Fronten von Kämpfern der Dschihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS) eingekesselt worden sein, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtet. Sie steht den gemäßigten Rebellen in Syrien nahe und bezieht ihre Angaben von Aktivisten vor Ort. Danach soll jetzt auch das Hauptquartier der kurdischen Milizen in der Hand der Terroristen sein. Bereits am Donnerstag hatte der IS die Kommandozentrale der kurdischen Polizei eingenommen, das im selben Stadtviertel wie das Hauptquartier der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der Gemeinderat liegt.
Die militärisch unterlegenen Kurden kämpfen nun - unterstützt durch Luftschläge der USA und arabischer Verbündeter - mit aller Macht darum, die letzte Fluchtroute für die nach unterschiedlichen Berichten zwischen 1000 und mehr als 10.000 verbliebenen Zivilisten in Kobane (arabisch: Ain al-Arab) offenzuhalten. Laut dem UN-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, halten sie lediglich noch einen schmalen Korridor zur türkischen Grenze. Die Front verläuft mittlerweile nur noch 1300 Meter von der türkischen Grenze entfernt. Dort hat die Türkei zwar Panzer und Truppen zusammengezogen, intervenieren will sie nach wie vor nicht.
UN-Gesandter warnt vor Massaker
Mistura warnte vor einem Blutbad. Bei einer Eroberung Kobanes durch die Islamisten drohe ein ähnliches Massaker an Zivilisten wie 1995 in Srebrenica, als bosnisch-serbische Milizen rund 8000 muslimische Jungen und Männer ermordeten. Zudem drängte er Ankara mit ungewöhnlich offenen Worten, die internationale Militärallianz vom eigenen Territorium aus zu unterstützen.
Nach Angaben des amerikanischen Außenamts sagte Ankara inzwischen ein stärkeres Engagement im Kampf gegen den IS zu. So habe sich die türkische Regierung bereit erklärt, moderate syrische Rebellen auszubilden und auszurüsten, teilte Sprecherin Marie Harf nach Beratungen des pensionierten US-Generals John Allen und des Irak-Beauftragten Brett McGurk mit Vertretern der türkischen Führung mit. In der kommenden Woche will eine US-Militärdelegation zu Gesprächen mit türkischen Generälen nach Ankara fliegen.
PKK droht mit Wiederaufnahme des Kampfes
Druck auf die Türkei wird auch aus einer anderen Richtung ausgeübt: Die als Terrororganisation eingestufte verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK drohte Ankara mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes. Für den Fall, dass bei Unruhen in den türkischen Kurdengebieten weiterhin Menschen getötet würden, werde die Guerilla wieder zu den Waffen greifen, erklärte der stellvertretende PKK-Chef Cemil Bayik in einem Interview der ARD. Nach Angaben der Regierung waren bei den landesweiten Demonstrationen und Ausschreitungen in den vergagenen Tagen insgesamt 31 Menschen getötet worden.
se/ab (afp, ape, dpa, rtr)