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Solare Küche

3. Mai 2012

Drei Milliarden Menschen nutzen Pflanzen, Dung oder Holz als Brennstoff. Das schädigt das Klima und lässt Wälder verschwinden. Solarkocher können Abhilfe schaffen - und bei Katastrophen Leben retten.

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Solarkocher (Quelle: cc/Ben Tubby)
Solarkocher bündeln die Sonnenstrahlen. Es gibt mittlerweile fast 200 verschiedene ModelleBild: cc/Ben Tubby

Haiti im Januar 2010: Tausende Menschen sind auf der Suche nach Kleidung, Nahrung - und sauberem Trinkwasser. Doch das Beben hat die Leitungen vielerorts zerstört. Und Wasserstellen drohen von Bakterien verseucht zu werden. Nur abgekochtes Wasser ist sicher, doch Kochen ist in Haiti beschwerlich. Denn Holz, mit dem die Kochfeuer brennen, ist teuer oder muss mühsam gesammelt werden. "97 Prozent des Urwalds sind verschwunden. Die Frauen verbringen Stunden mit der Holzsuche", sagt Hans Michlbauer vom Verein EG Solar, der weltweit Solarkocher-Projekte betreut. Und jetzt Spenden eintreibt, um noch mehr Geräte als bisher nach Haiti schicken zu können.

Nicht nur in Haiti sind Solarkocher nützlich. In vielen Entwicklungsländern können sie die Lebensbedingungen verbessern - und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Denn 17 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes stammt aus Haushaltsfeuern, die mit Dung, Pflanzenresten und vor allem Holz brennen.

1,5 Millionen Tote durch Kochfeuer

Afrikanische Familie vor Solarkocher (Quelle: DW)
Gerade Frauen und Kinder profitieren von den Kochern - denn vor allem sie sammeln BrennholzBild: DW

Drei Milliarden Menschen sind auf diese Brennstoffe angewiesen. Da sie für Feuerholz Wälder roden, nimmt die Erosion zu, verschlammen Flüsse. Und das Holzsammeln kostet Zeit, die für Geld bringende Arbeit fehlt. Der Ruß der Feuer verschmutzt zudem die Luft: Die alljährliche, winterliche Smogwolke über Südasien geht laut einer schwedischen Studie vor allem auf Holzfeuer zurück. Die tödlich sind: 1,5 Millionen Menschen sterben laut der Weltgesundheitsorganisation jährlich an Atemwegserkrankungen, die Folgen der Holzverbrennung sind.

Hunderte von Initiativen wollen Solarkocher in der Welt verbreiten. Viele arbeiten von der Schweiz, Österreich oder Deutschland aus. Auch die Politik hat zahlreiche Projekte gestartet. Dennoch ist der globale Siegeszug bisher ausgeblieben - eine Million Kocher sind derzeit im Einsatz. Dabei liegt der Bedarf laut der Solar Cookers International Association (SCIA) aktuell bei 300 Millionen Geräten - allein für Asien.

"Die Technologie ist ausgereift, das Potenzial für den Klimaschutz hoch. Aber es fehlt noch an einer breiten Akzeptanz", sagt Marlies Kees von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Vielen Projekten fehle ein professionelles Marketing. Wichtig sei außerdem die umfassende Betreuung vor Ort. "Die Menschen brauchen einen Ansprechpartner, der Ersatzteile bereithält und sie ermutigt, die Kocher weiter zu nutzen", sagt Hans Michlbauer. Denn oft siegt die Gewohnheit: Viele lassen sich anfangs zwar überzeugen, steigen aber nach kurzer Zeit wieder auf das altbewährte Holzfeuer um.

Besonders einfach ist die "Kyotobox"

Fast 200 Modelle gibt es mittlerweile: Das Spektrum reicht von größeren Kochern mit nachführbarem Parabolspiegel bis hin zu einfachsten Varianten wie der aus Schuhkartons und Alufolie gebauten "Kyotobox". In der Regel konzentriert ein Spiegel oder eine spiegelnde Oberfläche Sonnenstrahlen auf einen meist mattschwarzen Behälter im Brennpunktbereich. Der Behälter absorbiert die Strahlen; sein Inhalt wird erhitzt. Eine dämmende Isolierung sorgt dafür, dass die Wärme nicht verschwindet.

Die Technologie ist aber nicht für jeden Ort geeignet: Probleme gibt es in sonnenärmeren Regionen. Und dort, wo traditionell nicht draußen gekocht wird oder kein akuter Brennstoffmangel herrscht. "Hier ist es oft sinnvoll, Solarkocher etwa mit energiesparenden Öfen zu kombinieren", sagt Willington Ortiz vom Wuppertal Institut, das den Solarkocher-Einsatz erforscht.

Baumlose Hochplateaus mit starker Sonneneinstrahlung - vor allem hier sind Solarkocher bisher ein Erfolg. Dazu gehören Andenregionen sowie Tibet, Nepal, die Mongolei und Teile Chinas - wo 600.000 Geräte im Einsatz sind. Das größte Potenzial gibt es laut der SCIA aber in Indien, wo die Regierung im Rahmen der neuen nationalen Solarinitiative auch das Sonnenkochen fördert, vor allem in Dörfern auf dem Land.

Indiens erstes "rauchfreies Dorf"

Solarkocher in Afrika (Quelle: GTZ/Netzhammer)
Die Landwirtschaftsschule des Muni Seva Ashrams in Indien kocht mit SonnenkraftBild: GTZ / Michael Netzhammer

Auch die Unternehmen haben das Potenzial erkannt - und sind dabei, das solare Kochen in einem Entwicklungsland erstmals zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu machen. Die Firma Gadhia Solar hat sich zum weltweit größten Hersteller von Solarküchen entwickelt - mit denen sie Indiens Dörfer verändert: In Bysanapali im Bundesstaat Uttar Pradesh ist der Rauch der Kochfeuer ganz verzogen. Denn die ganze Ortschaft ist auf Solarkocher umgestiegen; 20 weitere Dörfer haben ihr Interesse bekundet. Gadhia Solar baut aber auch Großanlagen, zum Beispiel für Tempel und Krankenhäuser. Bis 2012 werden die 18 bisher gestarteten Großprojekte 4000 Tonnen CO2 einsparen, etwa soviel wie 3600 Inder im Jahr ausstoßen.

Besonderen Grund zur Hoffnung gibt das Muni Seva Ashram im Bundesstaat Gujarat, wo erstmal Schulkinder von einer solaren Küche ernährt werden. Es ist genau der Ansatz, der bisher fehlt: "Es wäre so wichtig, das solare Kochen in Schulen und Universitäten viel stärker einzubinden", sagt Marlies Kees. "Es dauert eine Generation, um das Verhalten zu verändern. Man sollte so früh wie möglich damit beginnen."

Autor: Torsten Schäfer

Redaktion: Ranty Islam