Ist die "KoKo"-Idee Kokolores?
12. Dezember 2017Hintergrund dieser Vereinbarung ist, dass nur bestimmte Kernprojekte im Koalitionsvertrag verankert werden. Andere bleiben offen, damit sie im Bundestag verhandelt werden können. Das würde mehr Raum geben zur Profilierung - und für wechselnde Mehrheiten. Der Vorschlag einer Kooperations-Koalition ("KoKo") stammt von der Parteilinken um den Bundestagsabgeordneten Matthias Mirsch. Sie als Antwort auf den starken Widerstand in der SPD gegen eine erneute große Koalition, eine Art "dritter Weg" zwischen Neuwahl und fester großer Koalition, gedacht.
Die CDU-Spitze kritisierte so eine Koalition mit nur teilweiser fester Zusammenarbeit als zu unsicher für das Land. Wenn bestimmte Themen im Koalitionsvertrag offen bleiben, könnte die SPD - so das Kalkül - beim Ringen um Projekte deutlicher machen, wer wofür steht und was auf wessen Betreiben durchgesetzt wird, auch mit anderen Mehrheiten.
"Rosinen picken"
CDU-Vize Julia Klöckner sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", sie halte nichts von Halbabsprachen. "Wir können nicht die Hand reichen für ein bisschen Absprache, für ein bisschen Tolerierung, für ganz großes Rosinenpicken der SPD, die sich nicht richtig traut", so Klöckner. "Entweder man will regieren oder man will nicht." Der designierte sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht so eine Zusammenarbeit als "gefährlich" an. "Die SPD hat sehr viel Vertrauen verspielt und sollte jetzt wieder zu Seriosität zurückkommen", sagte Kretschmer im Deutschlandfunk. Diese Art Politik zu machen von SPD-Chef Martin Schulz möge im Europäischen Parlament gut angekommen sein, aber in Deutschland sei sie wirklich gefährlich, so Kretschmer.
Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer äußert sich ebenfalls im Deutschlandfunk zu den SPD-Plänen drastisch: "Mich erstaunt immer wieder, auf welche seltsamen Ideen die SPD kommt, um zu regieren und gleichzeitig zu opponieren. So eine Kooperative Koalitionsvereinbarung ist nichts anderes als eine vertragliche festgelegte Minderheitsregierung. Man sucht sich in der SPD die Rosinen heraus, die man mit der Union vertraglich festlegen will und bei den anderen Themen hält man sich offen, eine linke Mehrheit gegen die die eigene Regierung zu organisieren. Wie so etwas funktionieren soll, ist mir völlig unklar."
Mehr Freiheit für die SPD
Der SPD-Politiker Matthias Miersch von den Parlamentarischen Linken betonte, die SPD sei mit so einem Modell viel freier, es werde nicht wie bisher "penibel aufgeschrieben, was wir in allen Fachbereichen machen". CDU, CSU und SPD seien nur noch als ein einziger monolithischer Block wahrgenommen worden und die SPD habe Anträge von Linken und Grünen aus Koalitionsräson ablehnen müssen, "obwohl sie in unserem eigenen Wahlprogramm standen".
Miersch erläuterte: "Wir haben dann die Freiheiten auch jenseits einer solchen Zusammenarbeit wirklich mit anderen Fraktionen zu stimmen." Es gehe um fünf bis zehn Kernprojekte, die man gemeinsam verabredet und durchsetzt, darunter sicher der Bundeshaushalt. "Ich würde es eine Kooperation nennen, das ist viel freier als eine Koalition."
Angst vor Profilverlust
Teile in der SPD fürchten bei einer erneuten großen Koalition einen weiteren Profilverlust und eine Verschärfung der tiefen Krise, in der sich die Partei befindet. Beim Bundesparteitag hatten die Delegierten für ergebnisoffene Gespräche gestimmt. Eine in Teilen der SPD favorisierte Minderheitsregierung wird von Merkel abgelehnt. Sie müsste dann für jedes Projekt Mehrheiten im Bundestag suchen. Ähnlich unsicher könnte aber auch das Kooperationsmodell sein, hieß es.
Die Operation "GroKo" gilt als weit schwieriger als noch 2013 - bei einem Scheitern steht Deutschland vor Neuwahlen. Ein Streitpunkt ist zum Beispiel die SPD-Forderung nach einer Krankenversicherung für alle, die das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung beenden soll. Hinzu kommt die Flüchtlingspolitik. Die SPD will den bis März ausgesetzten Familiennachzug für Flüchtlinge wieder ermöglichen. Mit konkreten Sondierungen wird erst im Januar gerechnet. Mitte oder Ende Januar könnte ein SPD-Sonderparteitag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Am Ende müssten auch die 440.000 SPD-Mitglieder einem Vertrag zustimmen. Mit einer neuen Regierung wird bei einer Zustimmung erst im März gerechnet.
Kurz vor den Gesprächen der Spitzen von CDU/CSU und SPD über eine neue große Koalition drückt Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth aufs Tempo. Sie erwarte, dass Union und SPD "sehr ernsthaft und sehr zügig miteinander sondieren", sagte die Grünen-Politikerin dem RBB-Inforadio.
Bezogen auf die Idee der SPD-Linken zu einer Kooperationskoalition (KoKo) sagte Roth: Da könne man schon drüber nachdenken. "Es geht aber vor allem darum, dass wir stabile Verhältnisse haben, dass wir eine stabile Bundesregierung hinbekommen. Wir sind nicht in einer Staatskrise, aber wir haben eine Bewährungsprobe", gab Roth zu bedenken. Es gebe große Herausforderungen, und Entscheidungen seien zu treffen, denn Politik mache keine Pause.
cgn/sam (dpa, dradio.de)