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#MeToo kein Thema für die Berlin Fashion Week

Gero Schließ
21. Januar 2018

Auch in der Modebranche ist die #MeToo-Debatte längst angekommen. Eigentlich. Denn die Berlin Fashion Week hat die Auseinandersetzung gescheut, stellte DW-Kolumnist Gero Schließ fest.

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Fashion Week Berlin 2018 Irene Luft
Bild: picture alliance/ZUMAPRESS.com

MeToo? Wie bitte? Das Vorstandsmitglied des German Fashion Council blickte mich verständnislos an. So was solle auf der Modewoche nicht weiter vertieft werden, sagte er schließlich, als ich ihn zu Beginn der Berliner Fashion Week auf Sexismus in der Modebranche ansprach. Das war am vergangenen Dienstag (17.01.) also genau drei Tage nachdem die New York Times über schwerwiegende Sexismus-Vorwürfe männlicher Models gegen die Star-Fotografen Bruce Weber und Mario Testino berichtete: Erzwungene Nackt-Shootings, üble Zudringlichkeiten, schmierige Grapschereien.

MeToo? Aber doch nicht in Berlin!

Dieser Artikel  hat ein erneutes Beben ausgelöst. Die ganze Welt spricht davon.

Porträt unseres Kolumnisten Gero Schließ.
Es geht in Berlin auch um die ethischen Standards, meint Gero Schließ

Aber Mode-Berlin lebt offensichtlich auf einem anderen Stern. Sexismus? Nullkommanull Thema bei den Machern der Berlin Fashion Week: Kein Interview, keine Pressemitteilung, kein Panel dazu.

Anders in den USA: Mario Testino und Bruce Weber haben viel für die amerikanische Ausgabe der Vogue fotografiert. Deren Chefredakteurin Anna Wintour reagierte sofort und legte die Zusammenarbeit mit beiden auf Eis. Außerdem teilte sie mit, dass sie schon seit Herbst 2017 an einem "Code of Conduct" arbeite. Fabelhaft!

Was hätte näher gelegen, als den Amerikanern beim neuen Verhaltenskodex für den Umgang mit Models - nun ja - mit ein paar Stichworten zu assistieren und mit dieser Botschaft von Berlin aus in die Welt zu gehen? Zumal die deutsche Schwester der Vogue und ihre Chefredakteurin Christiane Arp bei der Fashion Week in Berlin ohnehin stark engagiert waren. Immerhin ließ Vogue auf einer gemeinsam mit dem Zeitmagazin ausgerichteten Konferenz "The Relevance of Fashion" den deutschen Modefotografen Jonas Lindstroem zu Wort kommen: Testinos und Webers Übergriffe seien ein offenes Geheimnis in der Branche gewesen, klagte der. Das macht es noch schlimmer. Ein Grund mehr, das Thema anzugehen, auch mit Blick auf Deutschland. Was die Deutschen sonst so gerne tun, sich als moralischen Maßstab der Welt zu profilieren, das taten sie diesmal nicht.

Neues Selbstbewusstsein

Antonia Goy vor ihren neuen Kreationen in einer Ausstellung von Vogue.
Designerin Antonia Goy arbeitet unter ihrem neuen Label "Working Title" ökologisch und verzichtet komplett auf PolyesterBild: DW/G.Schließ

Berlin als ethisches Gewissen der Modebranche, das wäre ein Coup gewesen - auch mit Blick auf die Neupositionierung der Berliner Fashion Week, die immer noch ihren Platz im Konzert der großen Modewochen in Mailand, Paris, London und New York sucht. Viele Player waren involviert, darunter Großsponsor Mercedes Benz, die Vogue oder die Macher des relativ jungen Berliner Modesalons "Fashion Council Germany".

Der jüngste Anstoß zur Erneuerung kam diesmal von Mercedes Benz - und keinen Augenblick zu früh: Weg vom verkrampften Klammern am Anspruch, es als Klein-Paris oder Klein-Mailand den Großen gleichtun zu wollen. Stattdessen eine Modewoche, zugeschnitten auf Berlin und seine Stärken: das Kreativpotential seiner internationalen Designer- und der Tech-Startup-Szene, das grün-alternative Lebensgefühl und die atemberaubenden Locations.

Neue Formate

Die Lösung: Statt des Promizeltes am Brandenburger Tor, das vor allem die Sponsoren glücklich machte, viele kleinere Shows und andere Formate, die auch Normalos erreichen sollten. Der neue "Fashion-HAB" in der Halle am Technoclub Berghain war solch ein gelungenes Neuformat. Die exzentrische Mode des Designerkollektivs "Last Heirs" fand hier genau den richtigen Rahmen. Public Viewing und Live-Stream sollten ein Übriges tun und die Fashion Week für möglichst viele zugänglich machen. Und das ist auch geglückt. Chapeau dafür!

10 Models posieren mit ihren eher bunten Jacken.
"Last Heirs" brachten frischen Wind in die Berlin Fashion WeekBild: DW/G. Schließ

Kann das wahr sein? Berlin feiert mal nicht sich selbst, sondern einen neuen Realismus. Hedonismus und Hybris sind also von gestern? Na soweit wird es wohl nicht kommen. Aber die Wundertüte Berlin hat sich verabschiedet vom Mode-Wunschkonzert.

Berlin ist dabei, sich ehrlich zu machen. Noch ist es nicht zu spät, diese Ehrlichkeit künftig auch radikal nach innen zu denken, erst recht bei den ethischen Standards. Eins steht für mich fest: Auch im Modebusiness haben die schwarzen Schafe keine Schonung verdient!