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Obamas Politik

Michael Knigge19. August 2014

Barack Obama zu kritisieren, er habe in seiner Amtszeit nicht genug für die schwarzen Amerikaner getan, ist einfach und nicht einmal falsch. Aber es verkennt die historische Dimension seiner Wahl, meint Michael Knigge.

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USA Präsident Barack Obama Pressekonferenz in Washington18.08.2014
Bild: Win McNamee/Getty Images

Die Statistiken sprechen eine klare Sprache: Seit Präsident Barack Obamas Amtsantritt im Jahr 2009 hat sich das Leben seiner schwarzen Landsleute nicht grundlegend verbessert. Verglichen mit der weißen Bevölkerungsmehrheit sind sie immer noch weit überdurchschnittlich von Armut, Arbeitslosigkeit, Gewalt betroffen, ihre Bildungs- und Aufstiegschancen sind schlechter und ihre Lebenserwartung geringer.

Zugegeben: Zu verlangen, Obama solle in seinen bislang fünf Jahren im Amt schaffen, was keinem Präsidenten zuvor gelang - nämlich die tatsächliche Angleichung der Lebensverhältnisse und die post-rassische Gesellschaft - ist vermessen. Aber auch wenn man die Latte niedriger hängt, ist Obamas Bilanz mager. Welche große nationale Initiative zur Verbesserung der Lage der Schwarzen verbindet man mit Obama? Es fällt einem beim besten Willen keine ein.

Kein Programm

Gerade bei den für seine schwarzen Landsleute wichtigen Themen wie affirmative action, also der positiven Diskriminierung, der hohen Arbeitslosigkeit unter Schwarzen und der Gewalt hat sich Obama zurückgehalten - nicht nur politisch, auch rhetorisch. Gewiss, Obama hat bewegende Worte zum Fall Trayvon Martin gefunden. Aber während dieser rhetorisch begabte Präsident in Kairo eine grundlegende, programmatische Rede zum Verhältnis der USA zum Islam hielt, gibt es keine vergleichbare Rede zur Lage der Afro-Amerikaner.

Deutsche Welle Michael Knigge
DW-Redakteur Michael KniggeBild: DW/P. Henriksen

Und dennoch ist es zu einfach, Obama schlicht Versagen vorzuwerfen, wie es seine angesichts der zahlreichen internationalen und nationalen Krisen ständige wachsende Schar von Kritikern tut. Um dem ersten schwarzen Präsidenten gerecht zu werden, hilft es den Blick zu weiten: Als Obama ins Weiße Haus einzog, befanden sich die USA mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit der großen Depression in den 1930er Jahren und führten zwei Kriege - im Irak und Afghanistan.

Hoher Druck

Im ersten Jahr seiner Amtszeit taumelte nicht nur die Weltwirtschaft am Abgrund, auch die US-Arbeitslosenrate kletterte auf über zehn Prozent. Ein für die USA seit Jahrzehnten nicht gekanntes Ausmaß. Und während der Irak-Krieg (vorerst) abebbte, gewann der Afghanistan-Krieg gleichzeitig wieder an Dynamik mit drastisch steigenden US-Opferzahlen als Folge. Dies ist keine Rechtfertigung, verdeutlicht aber, wie prekär die nationale wie internationale Ausgangssituation bei Obamas Amtsantritt und wie hoch der Druck auf den neuen Präsidenten war.

Sicher: Das Gegenargument, von der Krise am amerikanischen Arbeitsmarkt seien Schwarze überdurchschnittlich betroffen, was besondere Maßnahmen erforderlich mache, ist stichhaltig. Aber Obamas Aussage, er könne nicht nur Gesetze machen, die Schwarzen helfen, entspricht seiner persönlichen Haltung zu dem Thema und seiner Art Politik zu machen.

Obamas Stil

Statt einzelne, womöglich politisch umstrittene Maßnahmen voranzutreiben, verweisen Unterstützer des Präsidenten darauf, dass gerade Schwarze überdurchschnittlich von Obamas Maßnahmen wie der Ausweitung der Krankenversicherung oder der geplanten Mindestlohnerhöhung profitieren. Dies stimmt zwar und entspricht auch genau dem vorsichtigem Politikstil Obamas, ist jedoch nicht der große politische Entwurf, den sich viele vom ersten schwarzen Präsidenten erwartet haben. Aber auch bei diesem Thema gilt: Obama, der Amtsinhaber, ist nicht der vermeintliche Heilsbringer seines ersten Präsidentschaftswahlkampfs, sondern ein normaler Politiker.

Obamas Beitrag zur Verbesserung des Verhältnisses der Rassen sollte man denn auch nicht in tagespolitischen Maßnahmen oder großen Reden messen, denn er ist viel größer. Mit seiner historischen Wahl 2008, seiner Wiederwahl 2012 und seiner bisher gemischten Gesamtbilanz als Präsident hat Obama etwas geleistet, was kein Gesetz und keine Rede seiner 43 Vorgänger konnte: Er hat nicht nur gezeigt, dass ein schwarzer Amerikaner Präsident werden kann, sondern er zeigt, dass ein schwarzer Amerikaner ein genauso mittelmäßiger Präsident sein kann wie ein weißer.