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Sharif und Modi könnten Annäherung einleiten

Florian Weigand26. Mai 2014

Erstmals nimmt mit Nawaz Sharif ein pakistanischer Regierungschef an der Vereidigung seines indischen Amtskollegen teil. Grund für Optimismus, wäre da nicht Pakistans Militär, meint Florian Weigand.

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Bild: DW/P. Henriksen

Dass ein pakistanischer Regierungschef zum ersten Mal zur Vereidigung eines indischen Premiers reist, ist historisch gleich in zweierlei Hinsicht. Die beiden Atommächte haben drei Kriege ausgefochten, die Phasen des Argwohns waren lang, die der vorsichtigen Annäherung immer kurz und ohne Erfolg. Und nun nähren ausgerechnet der Chef der Muslim-Liga in Pakistan, Nawaz Sharif, und der Hindu-Nationalist Narendra Modi als neuer Premier in Indien die Hoffnung, ihnen könnte die Annäherung gelingen, die die säkularen Parteien, die Pakistanische Volkspartei und die Kongresspartei in Indien, nicht geschafft haben. Das lässt hoffen: Abseits jeder national-religiöser Rhetorik sehen wir zwei handfeste Realpolitiker, die das Ruder in die Hand nehmen.

Die Ausgangslage war denkbar schlecht. Der Inder Modi steht im Verdacht, durch Nichtstun ein Massaker an Muslimen indirekt unterstützt zu haben, als er Regierungschef in der Provinz Gujarat war. Das kann der Pakistaner Nawaz Sharif als Chef der Muslim-Liga nicht einfach ignorieren. Immerhin gehört es zum Gründungsmythos Pakistans, Heimstatt der Muslime auf dem Subkontinent zu sein. Doch Modi war entschlossen, ein neues Kapitel in den Beziehungen zum schwierigen Nachbarn aufzuschlagen und versandte - ein diplomatischer Coup - die Einladung nach Islamabad. Damit geriet Sharif unter Zugzwang. Mehrere Tage benötigte er zur Entscheidung. Als aber auch der prominente islamische Geistliche Fazal-ur Rehman zur Reise riet, konnte er die Einladung annehmen, ohne innenpolitischen Schaden zu fürchten.

Verbindendes zwischen Sharif und Modi

Auf diese Unterstützung mag Sharif inständig gehofft haben, denn ihn verbindet einiges mit Modi. Beide kommen zwar aus national-religiös gefärbten Lagern, im Zentrum ihrer Politik steht aber die Wirtschaft. Die Familie Sharifs hat ökonomische Interessen in Indien, deren Heimatstadt Lahore ist gerade 20 Kilometer von der Grenze zum großen Nachbarn entfernt. Und Geschäfte brauchen stabile politische Verhältnisse, bilaterale Rechtssicherheit und Frieden.

Und genau deswegen bewegt sich Nawaz Sharif auf dünnem Eis. Gelingt eine Aussöhnung mit Indien, ruft er das immer noch mächtige Militär auf den Plan. Es lebt von der gefühlten Dauerbedrohung durch einen übermächtigen, in der Essenz anti-pakistanischen Nachbarn im Osten. Ohne den Erzfeind Indien macht es jedoch kaum Sinn, den Apparat in der gegenwärtigen Größe aufrecht zu erhalten. Das Militär ist aber immer noch der größte Arbeitgeber im Land, es betreibt Krankenhäuser und Schulen, die Soldatenfamilien leben in sogenannten Kantonnements, abgeschlossenen Wohnarealen, die einen Lebensstandard bieten, wie ihn anderswo nur die reiche Oberschicht genießt.

Lehren der jüngsten Geschichte

Wie die Generäle auf Versöhnungsversuche mit dem Nachbarn reagieren können, musste Nawaz Sharif schon einmal erleben. Im Jahr 1999 hatte er den damaligen indischen Premier Atal Bihari Vajpayee, wie Modi ebenfalls ein Hindu-Nationalist, nach Pakistan eingeladen. Es ging um Kaschmir. Seit der Teilung der ehemaligen Britischen Kolonie in Pakistan und Indien im Jahr 1947 ist das Gebiet an den Hängen des Himalayas ein Zankapfel zwischen den beiden Mächten. In Lahore unterzeichneten die beiden Staaten ein Abkommen, das eine langfristige Friedensperspektive in Aussicht stellte. Nahezu gleichzeitig aber drangen Bewaffnete aus Pakistan in den Teil Kaschmirs ein, der von Indien besetzt war. Das Abkommen war Makulatur. Kurz darauf übernahm General Pervez Musharraf die Macht in Islamabad.

Bei aller Euphorie und Symbolik des Besuchs in Neu Delhi muss Sharif darauf achten, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.