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Kommentar: Antrittsbesuch mit Symbolcharakter

Daniel Scheschkewitz, Washington14. Januar 2006

Genau 22 Stunden hat Bundeskanzlerin Merkel bei ihrem Antrittsbesuch in Washington zugebracht. Von der Atmosphäre könnte der Besuch dennoch einen Neubeginn in den deutsch-amerikanischen Beziehungen markieren.

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Die Erwartung an diesen Besuch waren hoch, von amerikanischer Seite sogar äußerst hoch. Doch kein Mensch kann an einem Tag das komplizierte Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten rundum erneuern, auch Frau Merkel nicht, selbst wenn sie es gewollt hätte. Dazu hat sich in den letzten Jahren zuviel verändert. Strategisch, mit dem Ende des Kalten Krieges und auch politisch, mit der Zäsur am 11. September 2001 und dem von den USA geführten Krieg im Irak. Die Supermacht Amerika und die europäische Mittelmacht Deutschland sind in einem komplexen Verhältnis wirtschaftlicher, politischer und geostrategischer Interessen miteinander verbunden, das zuletzt überschattet wurde von der Antipathie zweier Männer an der Spitze, die sich augenscheinlich nicht mochten. Dem hat Angela Merkel etwas entgegengesetzt. Wohl wissend, dass sie bei Präsident Bush einen Symphatiebonus genießt, weil sie die andere Partei vertritt, die den Irakkrieg nicht von vornherein verteufelte und den Wahlkampf mit einem klaren Bekenntnis zur deutsch-amerikanischen Freundschaft geführt hat, konnte Merkel in Washington freundlich, locker und unbefangen auftreten.

Bush sieht Grenzen amerikanischer Macht ein

Als Vertreterin eines neuen Deutschland, das sich Kritik gegenüber dem großen Verbündeten durchaus erlaubt, ohne die Partnerschaft prinzipiell in Frage zu stellen. Merkel traf dabei auf einen Präsidenten Bush, der die Überheblichkeit vergangener Tage ein Stück weit abgelegt hat und dessen Einsicht in die Grenzen amerikanischer Macht und die Fehlbarkeit seiner Politik notgedrungen gewachsen ist. Und der für Merkel buchstäblich den roten Teppich ausrollte. Das ist noch lange kein Anlass zur Euphorie. Ein Wandel der Bushregierung bei kontroversen Fragen wie Guantanamo oder dem Umweltschutz ist bislang nicht zu erkennen. Dennoch hatte das Treffen der Beiden durchaus Symbolcharakter. Denn die Chance zum Ausloten der Möglichkeiten für eine neue strategische Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland ist denkbar günstig, das zeigt nicht zuletzt der aktuelle Umgang mit den Atomambitionen des Iran.

Deutschlands Wort kann zählen

Deutschland kommt als dem größten Land in der Europäischen Union aus der Sicht Washingtons eine natürliche Führungsrolle zu. Wenn es diese annimmt und sie nicht im Sinne eines Gegengewichtes zu Amerika, sondern als dessen natürlicher Verbündeter versteht, dann wird unser Wort auch am Potomac wieder etwas zählen. Ganz gleich wer hier das Präsidentenamt bekleidet.

Gegenseitige Abhängigkeiten

Deutschland braucht die USA nicht mehr zur eigenen Verteidigung. Wohl aber als Absatzmarkt, als wirtschaftliche Lokomotive für seine Exportindustrie und als Militärmacht, von der die Freiheit weltweit geschützt wird. Daran ändern grundsätzlich auch die unangenehmen und inakzeptablen Begleiterscheinungen wie Guantanamo oder die geheimen Gefangenentransporte der CIA nichts. Die USA brauchen Deutschland umgekehrt als wichtigste Macht in Europa, ohne dessen wirtschaftliche und militärische Ressourcen Amerikas globale Agenda keine Chance hätte. Vielleicht auch, um ihren moralischen Kompass wiederzufinden, der im Kampf gegen den Terror manches Mal abhanden gekommen zu sein schien. Auch beim angestrebten Frieden im Nahen Osten in Afghanistan, bei der weltweiten Bekämpfung des Terrors und beim Eintreten für einen weltweiten Freihandel kann Deutschland einen wichtigen Beitrag leisten. Alle diese Themen kamen beim Merkelbesuch auf den Tisch. In einer Atmosphäre die durchaus hoffen lässt. Der strategische Dialog darüber, was Deutschland und Europa zusammen mit den USA global erreichen wollen hat aber gerade erst begonnen. In diesem Sinne war der Merkelbesuch vielleicht wirklich ein Neuanfang.