Au revoir, alter Lüstling!
Manche Dinge kann man einfach nicht erfinden: Etwa die Tatsache, dass im vorigen Jahr ein echter Trash-Film über die New Yorker Vergewaltigungsaffäre von Dominique Strauss-Kahn erschien, in dem die Hauptrolle des Lüstlings ausgerechnet mit Gérard Dépardieu besetzt war, der dieser Tage eher einem gestrandeten Wal gleicht.
Aber damit nicht genug: Auf der Anklagebank in Lille saß neben dem früheren IWF-Chef ein Zuhälter, der im französisch-belgischen Grenzland volkstümlich als "Dodo, die Makrele" bekannt ist und der ankündigte, er werde sein nächstes Bordell schlicht "DSK" nennen. Die Abkürzung stand in der französischen Presse jahrelang für Dominique Strauss-Kahn. Da war er noch ein aufstrebender Politiker der Sozialisten und dann Chef des Internationalen Währungsfonds. Heute macht man sich mit ihm nicht mehr so gemein. Seine politische Karriere ist zu Ende, sein Ruf ruiniert, sein soziales Leben nur noch Stoff für die Klatschspalten.
Intimste Details vor aller Öffentlichkeit
Man könnte das gesamte Verfahren, in dem Strauss-Kahn organisierte Zuhälterei vorgeworfen wurde, an sich schon als hinreichende Strafe betrachten. Denn da wurden über Tage hinweg Zeuginnen gehört, die mehr als freimütig die Einzelheiten ihrer sexuellen Beziehungen zu dem früheren Politiker ausbreiteten - und die ganze Nation konnte teilhaben. Nach der Devise: Was Sie schon immer nicht wirklich über Strauss-Kahns Sexleben wissen wollten und auch nie zu fragen wagten.
Dieses Verfahren habe Frankreich in ein Land von Voyeuren verwandelt, klagte denn auch sein Verteidiger. Und nicht zu Unrecht wandte er ein, dass schließlich nicht die Moral seines Mandanten vor Gericht stehe, sondern der Vorwurf krimineller Taten. Organisierte Zuhälterei kann nach französischem Recht mit mehrjährigen Gefängnisstrafen geahndet werden. Aber dafür reichten die Beweise nicht, und das war schon bald nach Beginn klar. Der leichte Verdacht, dass da ein politisch motivierter Schauprozess zelebriert wurde, blieb bis zum Ende bestehen. Strauss-Kahn verließ erwartungsgemäß als freier Mann den Gerichtssaal.
War also alles nur eine unglaubliche Verschwendung von Zeit und Geld? Nein, denn für die französische Öffentlichkeit war das Verfahren durchaus wichtig. Nicht wegen der überflüssigen Erörterung der intimen Vorlieben des Angeklagten, sondern weil mit ihm tatsächlich die Mentalität einer bestimmten Spezies von Männern ans Licht gezerrt wurde. Mächtige Männer in der französischen Politik und Gesellschaft - und nicht nur unbedingt dort - die aus ihrer frauenverachtenden Kaltschnäuzigkeit kein Hehl machen. Von "Material" sprach Strauss-Kahn in manchen seiner E-Mails. Er meinte Frauen.
Machismus gehört immer noch zum Alltag
Und so löste diese Vorführung in Frankreich erneut eine nationale Debatte aus: Über das Schicksal von Prostituierten, die sich häufig weder ihren Beruf noch ihre Freier aussuchen können, und die künftig rechtlich besser geschützt werden sollen. Aber es meldeten sich auch einmal mehr Frauen zu Wort, die den traditionellen Machismus in der französischen Politik anklagten. Journalistinnen etwa protestierten gegen sexuelle Übergriffe in ihrem Beruf, weil für viele Mächtige im Land lüsterne Blicke und tätliche Übergriffe immer noch zum Spiel zu gehören scheinen.
Was schließlich von diesem Verfahren übrig bleibt, ist aber auch der Eindruck, dass wir es bei Dominique Strauss-Kahn mit einer aussterbenden Gattung zu tun haben: Er ist ein Dinosaurier des Steinzeit-Machismus, grobschlächtig, egoman und hemmungslos. Eigentlich eine jämmerliche Gestalt. Solche werden heute schon von selbstbewussten jungen Frauen umerzogen, wenn sie das erste Mal in den Hörsälen der Universitäten aufkreuzen. In der jüngeren Männergeneration ist dergleichen degoutantes Alt-Herrengehabe im Prinzip out. So kann man also Dominique Strauss-Kahn inzwischen ein fröhliches "Au revoir, alter Lüstling!" zurufen. Und man hat die Hoffnung, dass er später einmal im Altenheim, sollte er je nach dem Rock einer Pflegerin fassen, mit einer blitzschnellen Ohrfeige bedacht wird.