Nach gut vier Jahren des Tötens, Sterbens und Zerstörens in Syrien kommt endlich Bewegung in die viel zu lange fest gefahrenen Fronten. Washington hat in einem dramatischen Kurswechsel bisherige Kernpositionen in der Syrien-Krise aufgegeben: Einschneidend genug ist schon die Ankündigung von Verteidigungsminister Ashton Carter, künftig auch Bodentruppen im Kampf gegen den IS einzusetzen - vor allem im Irak, möglicherweise auch in Syrien. Wichtiger aber noch ist die Bereitschaft der USA, jetzt einen der zentralen Spieler im syrischen Drama an den Verhandlungstisch zu holen: den Iran.
Keine Lösung ohne Moskau und Teheran
Noch in dieser Woche werden in Wien erneut Gespräche über die Zukunft Syriens geführt und diesmal sitzt der iranische Außenminister mit am Tisch - neben denen aus USA, Russland, Saudi-Arabien und der Türkei. Dagegen hatten sich vor allem die USA und Saudi-Arabien lange gewehrt. Noch im Januar 2014 hatten die USA darauf bestanden, dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon den Iran von den Syrien-Gesprächen in Genf auslädt. Jetzt haben der wachsende Einfluss der Steinzeit-Islamisten vom IS, die verstärkten russischen Militäreinsätze und vor allem das komplette Versagen der von den USA bewaffneten und ausgebildeten Rebellentruppen der Einsicht zum Durchbruch verholfen: Man kann nicht nur allein mit seinen Freunden sprechen, wenn es gilt, eine komplexe Krise zu lösen!
Auch wenn Moskau und Teheran Bashar al-Assad als legitimen Präsidenten Syriens betrachten: Gegen diese wichtigsten Verbündeten des syrischen Regimes wird es keine Lösung des Konflikts geben. Das mag einem gefallen oder auch nicht, aber das ist die Realität. Das heißt auch: Es wird zumindest eine Übergangszeit mit Assad geben müssen. So unerträglich das nach knapp 300.000 Toten im Syrien-Krieg erscheinen mag - die Alternativen sind nicht attraktiver: Die im Westen viel beschworene, moderate syrische Opposition ist mehr Phantasie als Realität. Die Opposition ist in hunderte bewaffnete Gruppen zersplittert. Die unterscheiden sich lediglich im Grad ihres religiösen Extremismus - mit dem IS und dem Al-Kaida Ableger Al-Nusra-Front nur am äußersten Ende des Spektrums. Umgekehrt spricht es für die Unterstützung, die Assad unter der Bevölkerung immer noch genießt, dass drei bis vier Millionen Syrer als Binnenflüchtlinge Schutz ausgerechnet unter den Fittichen Assads im Großraum Damaskus suchen.
Drei verlorene Jahre
So erfreulich die neue Dynamik im Syrien-Konflikt ist - es bleibt Bitterkeit zurück: So weit wie jetzt hätte man auch schon vor drei Jahren sein können. Das sagt zumindest der frühere finnische Präsident Martti Ahtisaari. Der Friedensnobelpreisträger und ehemalige Syrien-Unterhändler erklärte Mitte September im britischen "Guardian", 2012 habe Russland einen "Gesichts wahrenden Rücktritt" Assads als Teil einer Friedenslösung angeboten. Doch die USA, England und Frankreich seien damals so überzeugt davon gewesen, Assad sei kurz vor dem Fall, dass sie den russischen Vorschlag ignorierten. Ahtisaari selbst spricht von einer verspielten Gelegenheit. Es bleibt zu hoffen, dass jetzt die Fünf-Parteien in Wien nicht wieder eine Chance verspielen, Schritte für ein Ende des Blutvergießens einzuleiten.
Um noch einmal auf den Einsatz von amerikanischen Bodentruppen in Syrien zu sprechen zu kommen: Das sollte - wenn überhaupt - erst nach Gesprächen mit Iran und Russland geschehen. Zu groß ist sonst die Gefahr, dass amerikanische und russische Militärs aufeinander treffen und der Konflikt weiter eskaliert.
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