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Beißhemmung beim IOC?

5. Dezember 2017

Das Internationale Olympische Komitee bestraft Russland für seine Doping-Aktivitäten. Die Sanktionen fallen schärfer aus, als man hätte erwarten können, sind aber nicht hart genug, meint Andreas Sten-Ziemons.

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Russland Thomas Bach und Wladimir Putin in Sotschi
Bild: picture-alliance/dpa/EPA/B. Walton

Ist das Urteil des IOC als Reaktion auf die Erkenntnisse im russischen Dopingskandal nun gerecht oder nicht? Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass im Grunde alle Beteiligten ihr Gesicht wahren: "Saubere" russische Athleten dürfen dank der Kompromisslösung doch bei den Olympischen Winterspielen starten, und die Regelhüter aus Lausanne haben gezeigt, dass sie die Zügel in der Hand halten. Niemand kommt ungestraft davon, der zu betrügen versucht. Dass die Russen in Pyeongchang nur unter neutraler Flagge starten dürfen - eine Schmach für das stolze Riesenreich! Dass die 15-Millionen-Geldstrafe dem Anti-Doping-Kampf zugutekommen soll - ein Signal, dass sich das IOC offenbar doch um eine Stärkung des fairen Sports bemüht.

Gleichwohl sendet das Urteil der obersten "Herren der Ringe", die auf einen Komplettausschluss Russlands verzichteten, ein unbefriedigendes Signal an all jene Sportler, die sich zwischen 2011 und 2015 an bestehende Regeln gehalten und versucht haben, auf faire und saubere Art und Weise olympische Medaillen zu erringen. Insbesondere an diejenigen, die durch gedopte Russen um ihren Erfolgsmoment betrogen wurden. Da hilft es wenig, wenn IOC-Präsident Thomas Bach behauptet, es tue ihm für diese Athleten leid und er hoffe, die IOC-Entscheidung könne einen Strich unter "die verheerende Episode" ziehen.

Sten Ziemons Andreas Kommentarbild App
DW-Sportredakteur Andreas Sten-Ziemons

Chance verpasst! Eine harte Bestrafung - sprich der Ausschluss der gesamten russischen Mannschaft - wäre angezeigt gewesen. Wer dem Sport und sauberen Sportlern, wie es die Russen getan haben, mit Anlauf vors Schienbein, in den Hintern oder sonstwohin tritt, der hätte in gleicher Weise bestraft werden müssen. Leider tritt das IOC nicht zu und verhängt eine vor allem symbolische Strafe - keine russische Nationalhymne, keine weiß-blau-rote Flagge.

Obwohl Russland mit einem staatlich gelenkten Dopingsystem in beispielloser Form betrogen hat, obwohl die Beweislast erdrückend ist und russische Autoritäten dennoch fortgesetzt vehement leugnen und obwohl etliche Nationale Anti-Doping-Agenturen eine Verbannung des gesamten russischen Olympiateams gefordert hatten, bleibt der russische Dopingskandal ohne einschneidende Folgen. Von bislang 25 gesperrten Einzelsportlern und einem lebenslang verbannten Ex-Sportminister Witali Mutko einmal abgesehen.

Eingeknickt vor Putins Macht?

Sollte Russland nun wie angekündigt auf einen Boykott verzichten, und sollten tatsächlich russische Sportler als neutrale Starter nach Südkorea kommen, röche es noch ein wenig mehr danach, dass vor Lausanne ein "Deal" zwischen IOC und russischer Regierung geschlossen wurde. Oder wie wahrscheinlich ist es, dass ausschließlich sportliche Aspekte dazu geführt haben, dass gegen einen Komplettausschluss entschieden wurde?

Sotschi 2014 - Eiskunstlauf
Sportfan Wladimir Putin 2014 in SotschiBild: picture alliance/dpa/epa/Ria Novosti/Kremlin Pool Mandatory/A. Nikolsky

Die meisten russischen Oligarchen, die sich mit ihren Millionen im Sport engagieren, sind Firmenchefs von Putins Gnaden. Durch ihren finanziellen Einsatz haben es einige von ihnen auf gehobene Positionen in internationalen Sportverbänden gebracht. Auch der russische Präsident setzt auf den Sport und nutzt ihn als Werbeträger für sein Land - und für sich selbst. Nachvollziehbar, dass Bach und das IOC einen so mächtigen Partner (und dessen Vertraute) nicht vollends brüskieren und dadurch möglicherweise dauerhaft verlieren möchten.

Thomas Bach muss sich 2021 zur Wiederwahl stellen. Die für IOC-Verhältnisse harte Entscheidung von Lausanne ist daher besonders für ihn eine Gratwanderung. Kritiker hat der Deutsche bereits genug - da möchte er sicher nicht auch noch die Russen zum Gegner haben. Denn welche Länder wären bei einem Bruch zwischen IOC und Russland überhaupt noch bereit, eine Olympia-Bewerbung abzugeben, wenn nicht autokratische Staaten im Einflussbereich Putins? Schließlich kann das IOC nicht jedes zweite Mal China den Zuschlag erteilen.

Daher und trotz des Russland-Urteils von Lausanne: Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn Thomas Bach nicht über 2021 hinaus IOC-Präsident bliebe. Und ebenso wenig ausgeschlossen ist sogar, dass bei einer der kommenden Olympia-Vergaben Russland den Zuschlag erhält.

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