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Buhlen um den großen Bruder

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
13. Mai 2015

Die USA haben die Staaten des Golfkooperationsrates zu einem Gipfeltreffen eingeladen. Doch die Araber zeigen sich reserviert. Gerade das zeigt, wie sehr sie den Beistand der USA weiterhin brauchen, meint Kersten Knipp.

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Saudi-Arabien Golf-Kooperationsrat in Riad
Bild: Fayez Nureldine/AFP/Getty Images

Ist er nun krank, der Waffenruhe im Jemen verpflichtet oder doch verärgert? Was immer den saudischen König Salman Ibn Abd al-Aziz bewogen haben mag, Obamas Einladung zum Gipfelgespräch in den USA auszuschlagen: Die Spekulationen, die sich um die Motive der Absage ranken, werfen ein grelles Licht auf den schwierigen Stand, in die die Beziehungen zwischen Washington und seinen Verbündeten auf der arabischen Halbinsel in den vergangenen Jahren geraten sind. Das Vertrauen der Araber ist dahin, an die Stelle einer über Jahrzehnte eingespielten, als selbstverständlich empfundenen Einmütigkeit ist Ernüchterung getreten, wenn nicht gar eine ausgewachsene Skepsis. In Riad, Manama und Abu Dhabi dominiert mit Blick auf Washington die Frage: Was will Amerika, was will Obama? Oder besser noch: Was will Obama wirklich?

Was will Obama?

Zwar hat der amerikanische Präsident die Mitgliedstaaten des Golf-Kooperationsrates (GCC) zu größten Teilen wissen lassen, was er will - nämlich ein neues, besseres Verhältnis zum Iran, dem Erzrivalen der GCC-Staaten. Dieser Wille zeigte sich in den fürs erste erfolgreich verlaufenen Atomverhandlungen mit Teheran ebenso wie in der strategischen Allianz gegen den dschihadistischen Terror, in der die USA Teheran eine erhebliche Rolle zuerkennen.

Soweit, so klar. Allerdings wüssten die Golf-Araber von Obama gerne mehr. Vor allem, welchen Preis er für das neue Verhältnis zum Iran zu zahlen bereit ist. Man kann den GCC-Staaten, allen voran Saudi-Arabien, vieles vorwerfen, allem voran ihre chauvinistische Religionspolitik und ihr teilweise bizarres, unklares Verhältnis zu Salafismus und Dschihadismus. Aber in einem haben sie recht: Ob sich Irans neues außenpolitisches Ansehen segensreich auswirkt, ist bislang alles andere als sicher.

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DW-Redakteur Kersten Knipp

So hat Teherans unbedingtes Festhalten am syrischen Diktator Bashar al-Assad ganz wesentlich dazu beigetragen, dass der ins fünfte Jahr gehende Krieg immer noch andauert, eine Viertel Million Syrer ums Leben gekommen und fast zehn Millionen auf der Flucht sind. Getötet und vertrieben wurden sie zwar auch durch Dschihadisten, vor allem aber durch das syrische Militär. Zusammen mit Assads anderem engen Partner, Russland, ist der Iran ganz wesentlich dafür verantwortlich, dass der Krieg noch kein Ende gefunden hat. Und die Regierenden der CGG-Staaten fragen sich, ob die USA, ob Obama nicht mehr hätte tun können, um diesen Krieg zu beenden.

Liebe zum Frieden, Liebe zur Macht

Rauft man sich in Riad und den anderen Hauptstädten aber aus reiner Friedensliebe die Haare? Nein. Denn Syrien ist Schauplatz eines Stellvertreterkrieges, in dem sunnitische und schiitische Staaten um Einfluss ringen. Die sunnitischen Staaten - und damit auch die Länder auf der arabischen Halbinsel - wollen eine Dominanz Teherans in Syrien verhindern. Darum beliefern sie die Aufständischen mit Waffen. Immer stärker aber fragen sie sich, wie weit sie noch auf Obama zählen können.

Der hat sich im Jemen, einem anderen Schauplatz der schiitisch-sunnitischen Stellvertreter-Kriege, zwar auf die Seite der GCC-Staaten gestellt und deren Intervention militärisch unterstützt. Das ist auch eine symbolisch bedeutsame Geste. Denn der "Sturm der Entschlossenheit", wie die von Saudi-Arabien geführten Staaten ihr Unternehmen nannten, trägt seinen Anspruch schon im Namen: Er soll den unbedingten Willen der Koalition demonstrieren, den iranischen Einfluss in der sunnitischen Machtsphäre zu unterbinden. Dass die USA diesen Willen unterstützen, wurde in Riad und anderswo gern gesehen. Die Frage ist nur, inwieweit der Iran sich davon dauerhaft beeinflussen lässt.

Eingeschränkt pragmatisch

Was also will Obama? Der Umstand, dass er die GCC-Staaten in die Atomverhandlungen mit dem Iran nicht direkt einbezogen hat, hat auf der arabischen Halbinsel für erhebliche Verärgerung gesorgt. Das könnte sich nun auch in der Reaktion auf die Einladung zum Gipfel spiegeln: Die Mehrzahl der Staaten lässt sich nicht durch ihre Staats- und Regierungschefs, sondern durch Politiker aus der zweiten Reihe vertreten.

Sollte dies tatsächlich ein Zeichen des Protests sein, ließe es sich freilich auch anders deuten: als Eingeständnis, dass es um den Frieden in der Region ohne die USA nicht besser steht als mit ihnen. Beide Seiten, Iran und die GCC-Staaten, betrachten die USA als indirekten Vermittler. Ein Ausweis nüchterner Pragmatik ist das nicht. Die GCC-Staaten ebenso wie der Iran haben ihre politische Reifeprüfung noch vor sich.

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika