Öffentlich-rechtlicher Rundfunk blamiert
Natürlich ist immer ein Stück Scheinheiligkeit dabei, wenn deutsche Politiker mit Blick auf andere demokratische Länder fordern, es dürfe keinen Staatsrundfunk geben. Denn auch das politische Spitzenpersonal in Deutschland erliegt regelmäßig der Versuchung, auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten Einfluss zu nehmen.
Sicher - es gibt hier nach einem Regierungswechsel keinen sofortigen Austausch der Führungsriege in den Sendern, wie er vor wenigen Tagen erst in Polen zu erleben war. Aber natürlich ist es kein Zufall, dass nahezu alle Intendantinnen und Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ein Parteibuch haben. Zufälligerweise genau jenes, das auch der Regierungschef der Region hat, für die der Sender zuständig ist.
Politik nimmt weniger Einfluss - meistens…
Insgesamt muss man zugestehen, dass der politische Einfluss auf die Sender abgenommen hat. Dazu hat vor allem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts beigetragen, das die Zahl der Sitze für Politiker in den Aufsichtsgremien der Sender deutlich eingeschränkt hat.
Genau dieser indirekte Weg über die Gremien war nämlich stets der Königsweg für Eingriffe in die Sender. Weil die Manager der Sender hier regelmäßig Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen und auch zur Wiederwahl antreten müssen. Dabei hatte es die Politik im Jahr 2010 übertrieben: Das zuständige Gremium des ZDF verweigerte dem Chefredakteur des Senders die Wiederwahl für eine dritte Amtszeit, obwohl der Intendant des Hauses sich dies dringend gewünscht hatte. Treibende Kraft des Affronts war der damalige hessische Ministerpräsident und CDU-Mann Roland Koch.
Dass die bösen Buben aber nicht allein bei der CDU sitzen und auch längst nicht alles gut ist, zeigt der aktuelle Vorgang: SPD und Grüne in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben ganz ungeniert in die Programmplanung des Südwestrundfunks (SWR) eingegriffen. Der wollte nämlich - wie schon bei den Wahlen vor fünf Jahren - die Spitzenkandidaten all jener Parteien zu einer Diskussionssendung einladen, die begründete Aussicht auf den Einzug ins Parlament haben. Und dazu gehört dieses Mal auch - man mag das gut finden oder nicht - die Alternative für Deutschland (AfD), die derzeit vor allem mit Stimmungsmache gegen die Flüchtlinge punktet. "Wenn die kommen dürfen, dann kommen wir nicht" - so beschieden die Ministerpräsidenten aus Mainz und Stuttgart sowie ihre Stellvertreter aus den kleineren Koalitionsparteien den Senderverantwortlichen kurz und knapp.
Gegner bekämpfen, nicht zensieren
Schon darüber könnte man sich mächtig aufregen. Unappetitliche Gegner bekämpft man nicht durch Dämonisierung und Wegducken! So verschafft man ihnen erst recht Aufwind. Nein, es ist die Pflicht und Schuldigkeit des politischen Spitzenpersonals, sich mit den Einwürfen dieser Leute öffentlich auseinanderzusetzen. Und deutlich zu machen, dass die vermeintlichen Alternativen vielfach eben doch keine sind.
Noch mehr muss man sich aber über den SWR aufregen. Statt die hochtrabend Elefantenrunde genannte Sendung einfach abzusagen, weil sie ohne die Amtsinhaber nur wenig Sinn hat, lädt er einfach die Parteien wieder aus, die derzeit nicht in den Landesparlamenten sitzen. In Baden-Württemberg trifft das AfD und Linke, in Rheinland-Pfalz zusätzlich die Liberalen.
Ja, geht's noch? Warum dürfen die, die vor fünf Jahren noch mitdiskutieren durften im SWR und die in Deutschland als etablierte parlamentarische Kräfte gelten, das jetzt nicht mehr? Weil man an der Senderspitze eben reagieren muss, wenn zwei Ministerpräsidenten der große Zeh zwickt und sie einen Brief schreiben?
Verschwörungstheoretiker jubilieren
Der SWR hat dem Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland massiven Schaden zugefügt. Und die Vorurteile all jener Verschwörungstheoretiker bestätigt, die seit Monaten von Staatsfunk, Zensur und dem Ausblenden der Wirklichkeit aufgrund von Anweisungen aus der Politik salbadern. Das ist Unsinn. Aber die Unbelehrbaren, die unbeirrbar in ihrer Scheinwelt von einer zentral gesteuerten Lügenpresse leben, haben wieder ein Argument mehr.
Bleibt als schwacher Trost, dass die Elefantenrunde zumindest in Rheinland-Pfalz nun doch ausfallen dürfte: Denn jetzt will die Spitzenkandidatin der CDU nicht mehr mitmachen, weil ja auch ihre liberalen Freunde nicht mehr kommen dürfen. Die Pfälzer Demokratie wird es verkraften: Haben Wahlforscher doch bisher nur in ganz wenigen Ausnahmefällen einen signifikanten Einfluss solcher Sendungen auf das Wahlverhalten der Bürger nachweisen können.
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