Guatemala liefert selten Schlagzeilen. Das kleine mittelamerikanische Land steht normalerweise im Schatten Mexikos. Doch ausgerechnet für seinen übermächtigen Nachbarn im Norden hält es zurzeit eine Lektion bereit: Der Kampf gegen Korruption lohnt sich und kann innerhalb rechtsstaatlicher Bahnen verlaufen.
Seit fünf Monaten geht in Guatemala das Volk auf die Straße. Seine Forderungen haben sich erfüllt: Präsident Otto Pérez Molina ist wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten und sitzt in Untersuchungshaft. Seine Stellvertreterin Roxana Baldetti hatte sich bereits vorher aus der Regierung verabschiedet.
Inmitten der Massenproteste gelang dem Land nun ein weiteres politisches Kunststück: An den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag (6.9.2015) beteiligten sich 70 Prozent aller Wahlberechtigten. Das ist die höchste Rate seit dem Ende des jahrzehntelangen Bürgerkrieges.
Aufruhr und Aufbruch
Die hohe Wahlbeteiligung steht für den politischen Aufbruch in einem Land, das noch immer an den Folgen des grausamen Bürgerkrieges leidet, bei dem mehr als 200.000 Menschen ermordet wurden und über eine Million das Land verließen.
Jimmy Morales, der Überraschungssieger im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen, steht für die erhoffte Wende. Als Kandidat der nationalistischen Partei FCN kommt er nach bisherigen Auszählungen auf 24,51 Prozent der Stimmen.
Allerdings steht noch nicht fest, gegen wen Morales bei der Stichwahl am 25. Oktober antreten muss, denn seine beiden politischen Rivalen liegen so dicht beieinander, dass erst das endgültige Wahlergebnis Klarheit geben kann. Bisher wurden 98,32 Prozent der Stimmen ausgezählt.
Ob Favorit Jimmy Morales die großen Erwartungen erfüllen kann, ist allerdings fraglich. Der 46-Jährige ist in seiner Heimat als TV-Komiker und evangelikaler Prediger bekannt. Morales profitierte von den Massenprotesten, weil er der einzige Kandidat war, der nicht dem politischen Establishment angehörte.
Doch was auf den ersten Blick als ein Makel erscheint, könnte sich nachträglich als Chance erweisen: Denn die Schubkraft für Wandel kommt in Guatemala nicht von innen, sondern von außen. Genauer gesagt: von der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit (CICIG).
Hartnäckige Ermittler
Diese 2007 mit Unterstützung der Vereinten Nationen geschaffene Kommission hat sich wegen der Aufklärung zahlreicher Skandale - darunter auch die jüngste Korruptionsaffäre beim guatemaltekischen Zoll - großen Respekt verschafft.
Ohne die Arbeit der CICIG wären die Massenproteste gegen Korruption erfolglos geblieben. Mehr noch: Ohne eine funktionierende Justiz bliebe die korrupte Politikerkaste in Guatemala weiterhin ungestraft, sie regierte und bereicherte sich weiterhin.
Die Arbeit der CICIG kann deshalb nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie hat in Guatemala die Grundlagen für einen Rechtsstaat geschaffen, die für eine Demokratie unabdingbar sind. Wenn es der Kommission gelingt, diesen Rechtsstaat zu stärken und den einheimischen Politikern zu verdeutlichen, dass dessen Gesetze auch für sie gelten, dann würde Guatemala wahrhaftig zum Land des ewigen Frühlings.
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