Kommentar: Chinas Reform nimmt Fahrt auf
13. März 2014Im Begriff "Parlament" steckt das italienische Wort "parlare" - was nichts anderes bedeutet als sprechen. Die meisten Parlamente dieser Welt werden diesem Sinn gerecht. Dort wird sehr viel geredet, meist kontrovers. Dort finden Debatten statt. Dort wird gestritten über den besten Weg eines Landes. In China ist das anders. Zwar gibt es auch dort gibt es ein Parlament, den Nationalen Volkskongress. Nominell ist er das höchste Staatsorgan.
In der Praxis aber haben die knapp 3.000 Delegierten nichts zu sagen, wenn sie einmal im Jahr für neun Tage zusammenkommen. Sie haben vor allem zuzuhören, etwa wenn die Regierung ihre stundenlangen Rechenschaftsberichte verliest. Streit ist tabu. Als Übung in Sachen Demokratie taugen die Tagungen des Nationalen Volkskongresses nicht. Interessent sind sie trotzdem, weil die chinesische Führung ihre Berichte und die abschließende Pressekonferenz nutzt, um Signale zu setzen, wohin sie das Riesenschiff China zu steuern gedenkt.
Das galt besonders für diesen Volkskongress. Denn seit einem Jahr hat in China eine neue Führung das Steuer in der Hand. Zum ersten Mal legte Ministerpräsident Li Keqiang seinen Rechenschaftsbericht vor. Vor allem interessierte, wie viele und welche Punkte des vom Zentralkomitee im vergangenen November vorgelegten ambitionierten Reformprogramms erwähnt werden würden.
Wegweisende Beschlüsse vom November bestätigt
Zum Ende des Volkskongresses lässt sich so viel sagen: Die neue chinesische Führung scheint ihr Ziel einer Liberalisierung der Wirtschaft tatsächlich voran treiben zu können. Mehr Markt, mehr Konkurrenz, mehr Nachhaltigkeit - das war der Tenor der ZK-Beschlüsse. Jetzt hat Li Keqiang unter anderem angekündigt, die Reform des Finanzsystems in Angriff zu nehmen. Die bislang festgelegten Zinsen sollen freigegeben, private Banken zugelassen werden. Finanzinstitute in Schieflage dürften nicht damit rechnen, automatisch vom Staat gerettet zu werden, erklärte Li zudem bei der abschließenden Pressekonferenz. Und: In der Wirtschaft solle künftig alles erlaubt sein, was nicht ausdrücklich verboten ist.
Die Führung unter Parteichef Xi Jinping scheint sich damit gegen mächtige Lobbygruppen durchgesetzt zu haben, deren Interessen von den Wirtschaftsreformen bedroht werden. Insbesondere Vertreter der großen staatseigenen Betriebe sind mit mehr Konkurrenz überhaupt nicht einverstanden.
Der auch beim Volkskongress wieder beschworene Kampf gegen die Korruption hat sich für Xi als Mittel erwiesen, diese Interessengruppen einzuschüchtern. Die Korruptionsprozesse gegen prominente Kader im vergangenen Jahr haben eine Welle der Angst durch die Reihen der Funktionäre gejagt. Erkennbar Widerstand leisten will in so einem Klima niemand.