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Angekündiger Sieg

Steffen Leidel 4. Dezember 2006

Hugo Chávez hat die Präsidentschaftswahlen klar gewonnen. Seine Anhänger glauben noch an die Wunder, die er verspricht. Aber die unangenehmen Wahrheiten lassen sich nicht mehr lange verstecken, meint Steffen Leidel.

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Der Sieg von Hugo Chávez ist nicht überraschend, auch dass er so eindeutig sein würde, war abzusehen. Seriöse Umfragen gaben ihm schon im Vorfeld mehr als 20 Prozent Vorsprung vor seinem schärfsten Widersacher Manuel Rosales. Der war selbst für die Mehrheit der Chávez-Gegner keine Alternative. Inhaltlich hatte sich Rosales im Wahlkampf kaum von Chávez abgesetzt. Auch er versprach Geschenke, die er aus den sprudelnden Erdöleinnahmen finanzieren wollte. Etwas überspitzt ausgedrückt lautete seine Botschaft: "Ich mache es wie Chávez, nur viel besser."

Diese Strategie musste scheitern, denn im Geschenke verteilen ist Hugo Chávez unschlagbar. Mehr als 20 Sozialprogramme hat der Linksnationalist aufgelegt. Chávez holte kubanische Ärzte ins Land. Sie wohnen in den schlimmsten Armenvierteln und behandeln kostenlos. Chávez baute Schulen in Gegenden, die jahrzehntelang vor sich hindarbten und Chávez wetterte gegen den "US-Imperialismus", beschimpfte Bush als "Teufel" und sprach aus, was viele in Venezuela denken.

Chávez-Land gleich Wunderland

Chávez spricht stets vom "Sozialismus des 21 Jahrhunderts", den er etablieren will. Was er damit meint, kann kaum einer seiner Anhänger erklären, wohl auch er selbst nicht. Chávez betreibt vielmehr eine Politik der Emotionen. Chávez-Land gleich Wunderland, ist das vermittelte Gefühl. In ungezählten Wahlveranstaltungen hat er mit riesigem Aufwand seine Wählerschaft mobilisiert. Mit Erfolg wie die für Venezuela überraschend hohe Wahlbeteiligung zeigt.

Chávez hat ein enormes Talent, sich in andere hineinzuversetzen, zu spüren, was die Mehrheit der Venezolaner wünscht. Seine Regierung achtet darauf, die Geschenke prächtig und öffentlichkeitswirksam zu verpacken. Geld spielt keine Rolle. Der hohe Ölpreis schwemmt Petrodollars in die Staatskassen. Die Wirtschaft wächst und die Venezolaner konsumieren wie noch nie.

"Es ist ein Sieg der Liebe", hat Chávez nach seinem Wahlsieg gesagt. Liebe kann bekanntlich blind machen. Viele Chávez-Anhänger schließen die Augen vor manch unangenehmer Wahrheit. Die Chávez-Regierung hat nichts gegen die Abhängigkeit vom Öl getan. Sackt der Ölpreis ein, könnte schnell Schluss sein mit den Geschenken.

Kriminalität und Korruption

Die goldene Henne der venezolanischen Wirtschaft ist schon jetzt mächtig zerzaust. Die staatliche Ölfirma PDVSA investiert nach Expertenansicht zu wenig in das Ölgeschäft. Die Förderquote ist laut der Internationalen Energieagentur seit Chávez Amtsantritt gefallen.

Auch die Wirksamkeit der Sozialmissionen ist fraglich. Laut Regierung ist die Armut zwar gesunken, aktuelle unabhängige Zahlen gibt es dazu aber nicht. Fakt ist, dass die Leute Angst wie nie vor Kriminalität haben. Venezuela ist nach wie vor eines der korruptesten Länder der Welt. Unter Chávez hat sich eine Elite herausgebildet, die kein Deut besser ist als die alte.

Machtkonzentration und Führer-Kult

Beängstigend ist auch die zunehmende Machtkonzentration von Chávez. Die Gewaltenteilung ist faktisch aufgehoben. Chávez kontrolliert das Oberste Gericht, das Parlament ist nicht mehr als ein Jubelverein. Wer sich nicht loyal mit Chávez zeigt, der hat keine Chance im öffentlichen Dienst einen Job zu bekommen. Das Land bleibt stark polarisiert.

Der Jubel über den Wahlsieg kann nicht verdecken, dass es hinter der Fassade brodelt. Chávez wird in der neuen Amtszeit viel von seinem Talent brauchen, die unangenehmen Tatsachen zu überspielen. Denn sonst könnte Chavezland bald ein blaues Wunder erleben.