Die Worte kamen ihm anscheinend nicht so einfach über die Lippen. "Ich bin von meiner Botschafter-Funktion für Nike zurückgetreten", sagte Sebastian Coe und las diese an sich einfache Erklärung konzentriert von einem Papier ab. Die Lesebrille auf der Nase fuhr er fort: "Der gegenwärtige Geräuschpegel wegen dieser Rolle ist nicht gut für die IAAF und nicht gut für Nike." Der Blick war dabei nach unten gerichtet, ganz als zeige er Demut.
Rückzug aus taktischen Gründen
Wer auf die Wortwahl achtet, merkt schnell, dass Gestik und Gesagtes nicht recht zueinander passen. Sebastian Coe gibt seine gut dotierte Beraterfunktion bei einem der führenden Sportartikel-Hersteller und großzügigen Leichtathletik-Sponsoren nicht etwa aus ethisch-moralischen Überlegungen auf, sondern wegen des entstandenen "Geräuschpegels" - und gibt dies auch noch offen zu. Das lässt tief blicken.
Lord Sebastian Coe ist seit August Präsident des Internationalen Leichtathletikverband IAAF und trat an als Erneuerer. Er übernahm das Amt vom der Korruption angeklagten und der Doping-Vertuschung verdächtigten Lamine Diack. Coe distanzierte sich und präsentierte sich als die Person, die den Weltverband, der nach Enthüllungen von systematischem Doping in Russland, Kenia und wohl auch weiteren Ländern, schwer Schlagseite hat, in eine skandalfreie Zukunft führen könne. Doch der strahlende Olympiasieger von 1980 und 1984 ist keine saubere Alternative von außen, er hat das korrupte IAAF-System seit Jahren mitgetragen.
Coe ist kein Erneuerer
2007 wurde Coe, der als talentierter Redner schnell vom Sportler zum Politiker umschulte und es bis ins britische Unterhaus schaffte, IAAF-Vizepräsident, ehe er in diesem Jahr aufstieg. Und da will er von all den Machenschaften seines Vorgängers nichts gewusst haben? Unglaubwürdig. Und wie sieht es mit seinen Erneuerer-Kompetenzen wirklich aus? Die entscheidenden Probleme packt Coe selbst gar nicht an. Den von Doping durchsetzten russischen Leichtathletik-Verband soll ausgerechnet das nationale Olympische Komitee Russlands aufräumen - dabei schaute das NOK beim, nach Sportleraussagen bis in höchste Kreise tolerierten, Dopingsystem doch Jahre lang weg. Bei anderen Problemfällen verweist Coe gern auf die hauseigene Ethik-Kommission. Aber in der sitzen noch immer Personen, die sein mehr als verdächtiger Vorgänger Diack in Position brachte.
Auch Sebastian Coe hat die gute alte Schule der wechselseitigen Gefälligkeiten und lukrativen Nebenverdienste in Sportfunktionärskreisen verinnerlicht. Der britische Lord arbeitete jahrelang als Berater für den US-Sportartikel-Riesen Nike und kassierte dafür laut BBC ein Jahressalär von rund 142.000 Euro. Eben jener Konzern aus Eugene, der passend zum 50-jährigen Firmen-Jubiläum die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in der eigenen Stadt bejubeln darf. Natürlich war der Nike-Marken-Botschafter und damalige IAAF-Vizepräsident Sebastian Coe in diesem Fall in einem offensichtlichen Interessenskonflikt. Gestört hat ihn das nicht - bis nun der "Geräuschpegel" zu stark wurde. Coe habe "keine Lobbyarbeit" gemacht, er habe nur "ermutigt". Manchmal ist es im Sport wie in der Politik: alles eine Frage der Wortwahl.
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