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Kommentar: Der laute Ruf nach Gerechtigkeit

Henrik Böhme5. April 2013

Der Aufschrei ist groß über das weltweite Netzwerk der Steuerbetrüger und ihrer Dienstleister. Doch solange die Politik nicht wirklich handelt, wird sich am Status Quo nichts ändern, meint Henrik Böhme:

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Rückblende: London vor genau vier Jahren. Der zweite Weltfinanzgipfel nach der Lehman-Pleite und der daraus folgenden Beinahe-Kernschmelze des weltweiten Finanzsystems. Die zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer beschließen ein großes Rettungspaket, damit sich Krisen wie diese nicht wiederholen können. Ein Teil des Pakets ist die Bekämpfung sogenannter Steueroasen. Auch wenn diese nicht wirklich etwas mit dem Ausbruch der Krise zu tun haben, so nutzt man doch die Dynamik des Moments, endlich etwas gegen Steuerhinterziehung zu tun. Schließlich brauchen die Staaten dringend Geld, stecken sie doch gerade Billionen in die Rettung der Welt. Mit viel Tamtam wird eine schwarze Liste veröffentlicht: Auf ihr stehen gerade mal vier Länder: Uruguay, Costa Rica, Malaysia und die Philippinen. Die Schweiz kommt damals mit dem Zugeständnis, über das Bankgeheimnis zu verhandeln, mit einem blauen Auge davon.

Deutsches Programm, Wirtschaft Henrik Böhme DWW5391. Foto DW/Per Henriksen Best Practice Day 11.03.2010.
Henrik Böhme, DW-WirtschaftsredaktionBild: DW

Seither gab es weitere Initiativen, manches bilaterale Abkommen wurde geschlossen, um den Steuerflüchtigen auf die Schliche zu kommen. Doch der wirklich große Schlag ist ausgeblieben. Wer viel Geld hat, kann das immer noch problemlos dorthin bringen, wo der Fiskus das Nachsehen hat. Das ist ungerecht, zumal wenn man bedenkt, dass man allein mit den nicht gezahlten Steuern die Hälfte des Hungers in der Welt bekämpfen könnte. Und also ist der Ruf nach Gerechtigkeit derer, die brav ihre Steuern zahlen oder die so wenig besitzen, dass es kaum zum Leben reicht, durchaus verständlich.

Es ist bezeichnend, dass es nicht die Politik ist, die nun Bewegung in die Sache bringt. Kapital - so heißt es landläufig - ist ein scheues Reh. Es wird immer dorthin gehen, wo es in Ruhe gelassen wird. Nun kann es sein, dass die ruhigen Plätze seltener werden. Ich habe allerdings ein ernsthaftes Problem mit der Quelle der Daten, beziehungsweise der Art ihrer Beschaffung. Dieses Problem hatte ich schon, als in Deutschland CDs auftauchten mit den ausländischen Kontodaten deutscher Steuerbetrüger in der Schweiz und Liechtenstein. Da hat sich jemand mit enormer krimineller Energie in die Computersysteme uns unbekannter Finanzinstitute gehackt und gigantische Datenmengen auf seine Festplatte kopiert. Und diesen somit illegal erbeuteten Schatz dann nicht etwa den Steuerbehörden oder der OECD - die den Kampf gegen die Steuerflucht seit Jahrzehnten führt - übergeben, sondern einer kleinen Auswahl weltweiter Medien, die dann ihrerseits weiter recherchiert haben. Machen sich diese Medien damit zum Helfer für die Gerechtigkeit oder zum Hehler eines Kriminellen?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Steuerhinterziehung muss bestraft werden. Und wer seine Gelder im Ausland parkt und nicht beim heimischen Finanzamt versteuert, der hat auch keine Amnestie verdient, sondern eine Strafe. Aber jeder frage sich selbst, wie er es mit der Ehrlichkeit hält: Arbeitet der Handwerker in der Wohnung schwarz oder gegen Rechnung? Nutzt man bei der Steuererklärung nicht auch alle sich bietenden Schlupflöcher, und zwar ganz legal? Natürlich müssten zum Beispiel in Deutschland die Steuergesetze drastisch vereinfacht und gerechter werden. Die Finanzämter müssten mit modernster Technologie und ausreichend qualifizierten und gut bezahlten Beamten besetzt sein. Der Mitarbeiter im Family Office - jene Abteilungen in den Banken, wo die Reichen ihre Vermögen verwalten lassen - ist deutlich besser bezahlt.

Vor allem aber braucht es ein international abgestimmtes Vorgehen gegen Steuerbetrug. Aber nicht einmal die Eurozone schafft es, ein harmonisiertes Steuersystem auf die Beine zu stellen. Die jüngst beinahe untergegangene Steueroase Zypern hat das deutlich vor Augen geführt. Das scheue Reh wird weiter leichtes Spiel haben, es muss sich nur ein bisschen mehr vorsehen.