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Der Meister der Außenpolitik

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Verica Spasovska
1. April 2016

Einer der Architekten der deutschen Einheit, gewiefter Taktiker, Machtpolitiker. Hans-Dietrich Genscher, Deutschlands Rekord-Außenminister, war eine prägende Gestalt der Nachkriegsgeschichte, meint Verica Spasovska.

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Genscher Botschaft in Prag 30.09.2014
25 Jahre zuvor schrieb er hier Geschichte: Hans-Dietrich Genscher 2014 auf dem Balkon der Prager BotschaftBild: picture-alliance/dpa/Filip Singer

Fest eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Deutschen hat sich die berühmte Balkonszene in der bundesdeutschen Botschaft in Prag vom 30. September 1989, als Genscher Tausenden von ausreisewilligen DDR-Bürgern zurief: "Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Ausreise …" Der Rest des Satzes ging in frenetischem Jubel der Menschen unter, die seit Tagen im Garten der Botschaft campierten, um ihre Ausreise aus dem Ostblock zu erzwingen.

Die Balkonansprache von Hans-Dietrich Genscher war Krönung eines diplomatischen Glanzstücks, das sich im Nachhinein als Meilenstein auf dem Weg zur deutschen Einheit herausstellte. Genscher hatte zuvor die Ausreise der DDR-Bürger unermüdlich ausgehandelt, zäh, geschickt, ausgestattet mit großem politischem Spürsinn. Und es hatte sich gelohnt. Die Ausreise der Flüchtlinge aus der Prager Botschaft beschleunigte den Erosionsprozess der zerfallenden DDR. Genscher hatte diese Dynamik mit seinem dipomatischen Geschick ermöglicht.

Als DDR-Flüchtling an die Spitze der bundesdeutschen Politik

Für den deutschen Außenminister, der selbst im ostdeutschen Halle geboren wurde, war dieser Moment nach eigenem Bekunden "der glücklichste Augenblick" seines politischen Wirkens. Aber es hatte auch Tiefpunkte in seiner politischen Laufbahn gegeben, wie etwa das Geiseldrama bei den Olympischen Spielen 1972 in München, als es nicht gelang, die israelische Olympiamannschaft aus den Händen palästinensischer Terroristen zu befreien. Damals war Genscher noch Bundesinnenminister und verantwortlich für den gescheiterten Befreiungsversuch. Erst sein Wechsel in das Amt des Außenministers zwei Jahre später leitete seine außergewöhnliche politische Karriere ein. 18 Jahre lang blieb er im Amt, war außerdem Vizekanzler, zunächst in einer Koalition mit den Sozialdemokraten unter Helmut Schmidt, ab 1982 dann mit den Christdemokraten unter Helmut Kohl.

Für viele der heute lebenden Deutschen war Genscher, der insgesamt 33 Jahre im Bundestag saß, irgendwie schon immer da und omnipräsent als unermüdlicher Diplomat, der mit unglaublicher Energie quer durch die Welt reiste, um Deutschlands Interessen zu vertreten. Liebevoll-ironisch überzeichneten ihn Karikaturisten aufgrund seiner abstehenden Ohren frei nach Disneys "Dumbo" als fliegenden Elefanten. Die Satirezeitschrift Titanic verpasst ihm in Anlehnung an Batman den Spitznamen "Genschman" - der Weltenretter. Bei den Deutschen war Genscher populär, über Jahre hinweg der beliebteste Politiker. Auch weil er die Gabe hatte, historische Chancen zu erkennen und wahrzunehmen. So schuf er mit seinen Ausgleichsbemühungen mit Osteuropa, insbesondere mit der DDR und der Sowjetunion, die Grundlage für die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten. Auch wenn seine Vermittlungspolitik zunächst kritisch als "Genscherismus" bezeichnet wurde, brachte sie ihm im Nachhinein Anerkennung ein.

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Verica Spasovska leitet die DW-Nachrichtenredaktion Online

Harte Kritik an der Jugoslawien-Politik

Lange umstritten war seine Jugoslawien-Politik. Die vorzeitige Anerkennung Kroatiens durch die Bundesregierung während des Jugoslawien-Krieges 1991 brachte ihm viel Kritik ein. Dies sei ein Brandbeschleuniger auf die zentrifugalen Kräfte des föderalen Staates, hieß es. Doch in Kroatien war man ihm für die politische Unterstützung dankbar. Bis heute sind Plätze und Straßen nach ihm benannt.

Genscher war über Jahrzehnte auch eine entscheidende Größe in der deutschen Innenpolitik. Als langjähriger Vorsitzender und starker Mann der FDP sicherte er der kleinen Partei jahrzehntelang massiven politischen Einfluss. Stets lagen die Liberalen nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, aber fast 30 Jahre lang waren sie als kleinerer Koalitionspartner ununterbrochen an der Regierung beteiligt.

Welches internationale Gewicht Genscher auch lange nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik hatte, stellte er noch einmal 2013 unter Beweis. Damals gelang es ihm, den Putin-Gegner Michail Chordokovsky aus russischer Haft nach Berlin zu holen. Chordokovskys Anwälte hatten ihn, den inzwischen 86-jährigen Meister der stillen Diplomatie, um Hilfe gebeten.

Mit Hans-Dietrich Genscher ist einer der größten deutschen Nachkriegspolitiker abgetreten. Sein diplomatisches Wirken wird unvergessen bleiben.

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