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Politik

Der Populismus siegt in Brasilien

Franca Tiebot Francis Kommentarbild App
Francis França
8. Oktober 2018

Fast hätte es Jair Bolsonaro schon im ersten Wahlgang geschafft: Die Demokratie bereitet einem Autokraten den Weg, den er nun in drei Wochen vollenden kann. Brasilien ist auf dem Weg in den Abgrund, warnt Francis França.

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Brasilien Sao Paulo - Demonstration für Jair Bolsonaro
Bild: Imago/Zuma Press/C. Faga

Nach vier Jahren Staatskrise haben die Wähler am Sonntag die Chance vertan, ein neues Kapitel in der Geschichte Brasiliens aufzuschlagen. Sie haben ausgerechnet die beiden Kandidaten in die Stichwahl geschickt, die das Volk am stärksten polarisieren - und dadurch die Probleme des Landes noch weiter verschärft.

Mit 46 Prozent der Stimmen hat der rechtsextreme Jair Bolsonaro von der sozialliberalen Partei PSL die Präsidentschaftswahlen beinahe schon im ersten Wahlgang gewonnen. An zweiter Stelle liegt der ehemalige Bürgermeister von Sao Paulo,  Fernando Haddad von der Arbeiterpartei PT, mit 29 Prozent. Haddad war an Stelle des beliebten Ex-Präsident Luiz Inácio da Silva, genannt Lula, angetreten, der wegen Korruption im Gefängnis sitzt und nicht kandidieren durfte.

Fake News und Fanatismus

Dieses Wahlergebnis ist ein gutes Stück auch die Folge schlechter Information. Schlecht informiert waren die Meinungsforscher, die mit den meisten ihrer Prognosen falsch lagen. Sie unterschätzten Bolsonaro und überschätzten die traditionellen Parteien, vor allem aber auch die Wirkung der Wahlwerbung im Fernsehen.

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Francis França leitet die Brasilianische Redaktion der DW

Die Wähler hingegen haben sich in diesem Wahlkampf vorrangig über die sozialen Medien informiert, insbesondere über WhatsApp-Gruppen. Dabei gingen inhaltliche Debatten und gemäßigte Auffassungen in einer Welle von Fake News und Fanatismus unter. Gut informiert waren am Ende die wenigsten Wähler vor ihrer Entscheidung

Es ist ja nicht so, dass die Brasilianer keine die Wahl gehabt hätten. Mit anderen Kandidaten in der Stichwahl hätte das Land durchaus die Chance auf ruhigere Zeiten gehabt. Doch die Wähler entschieden sich für eine Konfrontation ideologischer Gegner. Auch Radikalismus ist eine demokratische Option.

Unauflösliche Widersprüche

Dieser Wahlausgang sagt viel über die Widersprüchlichkeit der Brasilianer aus. Sie wollen einerseits die Korruption bekämpfen, flirten aber ausgerechnet in dem Moment, in dem der Kampf gegen die Korruption die meisten Fortschritte macht, mit dem Autoritarismus. Sie wollen endlich die Wirtschaftskrise überwinden, entscheiden sich aber für Kandidaten, die bei der Bildung einer mehrheitsfähigen Regierungskoalition auf größte Schwierigkeiten stoßen werden.

Die gravierende Krise in Brasilien ist aus einer Mischung verschiedener Faktoren entstanden, die schon seit 2013 in der Gesellschaft gären: Damals gingen Millionen von Menschen auf die Straße, um gegen Korruption, die Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr sowie die teuren Stadion-Bauten für die Fußball-WM zu protestieren.

Konservative ohne Kandidat

Die traditionelle brasilianische Politik hat es nicht vermocht, auf die vielfältigen und zum Teil diffusen Proteste eine Antwort zu geben und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung verloren. Die politische Mitte hat erst sich im Kampf um die Amtsenthebung von Ex-Präsidentin Dilma Rousseff verloren und dann die Regierung des unbeliebten Präsidenten Michel Temer unterstützt. Und nun hat sie es nicht geschafft, einen Kandidaten zu nominieren, der es vermocht hätte, auch konservative Wähler anzusprechen.

Brasilien vor dem Rechtsrutsch? Carolina Chimoy aus Rio de Janeiro

Die linksliberale Mitte wiederum zerbrach an der Kandidatur von Lula, dem meistgeliebten und zugleich auch meistgehassten Politiker Brasiliens. Die Arbeiterpartei PT schnitt den Wahlkampf lange allein auf die Figur des Ex-Präsidenten zu und präsentierte ihn als Opfer juristischer und politischer Verfolgung - selbst dann noch, als das Verbot seiner Kandidatur längst absehbar war. Letztendlich hat die Verteidigung von Lula dem linken Lager geschadet, denn ein Großteil der Stimmen für Bolsonaro sind Stimmen gegen die PT.

Diese Unfähigkeit des rechten wie des linken Lagers hat die Wähler in die Arme der Populisten getrieben. Populisten, die sich Autoritarismus, Rassismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben haben. Mit ihren scheinbar einfachen Lösungen für komplexe Probleme haben sie eine breite Wählerschaft erobert, deren Geduld nicht über die Reflexion eines kurzen Beitrags in den sozialen Medien hinausgeht. Eine Wählerschaft, die sich in erster Linie in ihren eigenen Vorurteilen gefällt.

Angesichts des Ergebnisses des ersten Wahlgangs spricht vieles dafür, dass der Rechtspopulismus in der Stichwahl am 28. Oktober als Sieger hervorgehen wird. Wenn der Konsens über gemeinsame Werte in einer Gesellschaft so dünn ist, welche Chancen haben dann Demokraten noch gegen Populisten?