Der Terror von Nizza trifft auch die Regierung Hollande
Das Attentat von Nizza stammt direkt aus dem Handbuch des IS: "Werdet einsame Wölfe und führt bei euch Anschläge durch", empfahl die Terror-Organisation ihren Anhängern in Europa schon vor zwei Jahren. Dazu könne man auch Kraftfahrzeuge oder andere alltägliche Gegenstände als Waffen nutzen.
Die tödliche Effizienz dieser Methode ist jetzt in Nizza zu sehen: Mit einem gemieteten LKW in eine feiernde Menschenmenge zu rasen, ist die Art Massenmord, die schwer zu verhindern ist. Dennoch steht die Regierung von Präsident François Hollande jetzt massiv unter Druck, weil die Sicherheitskräfte den Täter nicht früher orteten und ihnen offenbar tiefere Einblicke in islamistische Kreise nach wie vor fehlen.
Hollande muss sich Fragen stellen lassen
Dies ist der dritte schwere Anschlag in Frankreich innerhalb von anderthalb Jahren, neben mehreren einzelnen Morden, etwa an Polizisten. Die Franzosen haben bisher auf die terroristische Bedrohung bewundernswert gefasst und entschlossen reagiert. Der Widerstandsgeist war stark, noch nach der Mordserie im Bataclan und den Pariser Restaurants.
"Wir lassen uns unseren Lebensstil nicht zerstören", hieß die Botschaft der Mehrheit im Land. Aber wie lange kann diese tapfere Gelassenheit anhalten angesichts des jüngsten Blutbads in Nizza? Der republikanische Geist der Franzosen, ihre Treue zum Staat und ihre Geschlossenheit in der Krise werden auf eine schwere Probe gestellt.
Für Präsident Hollande aber bedeutet das erneute Attentat das politische Ende. Zwar hatte er im vergangenen Winter hart reagiert, mit Gesetzesverschärfungen und Ausnahmezustand versucht, die Bedrohung zu begrenzen. Gleichzeitig hat er aber versäumt, den Wust unterschiedlicher Sicherheitsdienste zu reformieren und eine einzige, schlagkräftige Anti-Terrorbehörde zu schaffen.
Nach den Angriffen von Paris hatte sich gezeigt, dass trotz aller Warnungen Fehler passierten, Hinweise versandeten und Verdächtige nicht rechtzeitig verhaftet worden waren. Zwischen Gendarmerie, Polizei, Innenministerium und Geheimdiensten gibt es offenbar ein schwarzes Loch. Hollande hätte die bürokratischen Eifersüchteleien durchschlagen und die Kräfte einem zentralen Kommando unterstellen müssen.
Die Familien von Bataclan-Opfern führen derzeit Klage gegen die Regierung wegen möglicher Versäumnisse. Vielleicht kann Präsident Hollande die erneute Krise noch für Änderungen nutzen. Doch die Idee, sich im kommenden Jahr zur Wiederwahl zu stellen, sollte er aufgeben. Die politische Gefahr geht jetzt vom rechtsradikalen Front National aus. Die Angst, dass das erneute Attentat verunsicherte Wähler in dessen Lager treibt, ist nicht unbegründet.
Kooperation der Muslime nötig
Was immer die französische Regierung aber jetzt unternimmt - sie braucht die Hilfe der muslimischen Gemeinden. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf sie zu zeigen und sie verantwortlich zu machen. Aber auch der Attentäter von Nizza hatte eine Familie, Freunde, Nachbarn. Und niemand hat etwas bemerkt oder hatte einen Verdacht? Hier muss es dringend einen Mentalitätswandel geben - denn auch dieser Täter war Franzose. Die terroristische Bedrohung kommt von innen, nicht von außen.
Es ist allerhöchste Zeit, jede falsche Solidarität mit den "Glaubensbrüdern" zu beenden. Der Terror bedroht alle in Frankreich, er hat nichts mit einem Kampf "Wir gegen sie" zu tun, denn er bedroht auch die Zukunft und die Sicherheit der Muslime in den westlichen Gesellschaften. Das Schlimmste, was passieren kann: wenn jetzt von Rechts säkulare, christliche und muslimische Franzosen gegeneinander aufgehetzt würden. Die Sprecher und Imame der Gemeinden müssen endlich den Hasspredigern in ihren Moscheen und im Internet mit allen Mitteln ein Ende bereiten. Sie haben eine Pflicht zum Handeln, genauso wie der französische Staat.
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