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Der verhinderte Rivale

Joscha Weber15. Dezember 2013

Eigentlich sollte es ein packender Zweikampf um den Titel werden: Bayern München gegen Borussia Dortmund. Doch während der FCB beängstigend souverän durchmarschiert, fällt der BVB als Gegner aus. Eine Ursachensuche.

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Keine Frage: Schön anzusehen ist es. Das Dortmunder Spiel ist mitreißend, hochemotional, spannungsgeladen. Kurz: ein klassisches Drama. Dies definiert der Duden als "aufregendes, erschütterndes oder trauriges Geschehen" und fasst damit gleichsam die aktuelle Dortmunder Gefühlswelt treffend zusammen. Denn die Borussia durchlebt derzeit pro Spiel die komplette emotionale Bandbreite: Die BVB-Elf rennt, ackert, scheitert, enttäuscht, verzweifelt, kämpft, brilliert, jubelt und hadert doch meist am Ende mit sich selbst. Denn unter dem Strich stehen gerade mal vier Punkte aus den letzten fünf Bundesligaspielen. Viel zu wenig für Dortmunds Ansprüche. Nicht nur nach dem 2:2 in Hoffenheim lautete die Zusammenfassung: Viel gerannt, toll gespielt, zahlreiche Chancen erarbeitet - und doch nicht gewonnen. Warum?

DW-Sportredakteur Joscha Weber (Foto: DW)
DW-Sportredakteur Joscha WeberBild: DW

In der Tiefe zu dünn

Mit der Antwort auf diese Frage kann man es sich leicht machen: Borussia Dortmund hat einfach zu großes Verletzungspech. Quasi die gesamte etatmäßige Verteidigung sowie das defensive Mittelfeld sind derzeit nicht auf dem Rasen sondern auf der Tribüne zu finden. Hummels, Subotic, Schmelzer, Gündogan, Bender - alles Stammspieler, alle verletzt. Eine Art Worst-Case-Szenario für die sportliche Leitung, aber durchaus kein völlig unrealistisches, wie die aktuelle Situation zeigt. Und damit ist man schon bei der etwas komplexeren und nicht ganz so bequemen Antwort auf die Frage nach der Ursache der Dortmunder Mini-Krise: Der BVB-Kader ist in der Tiefe zu dünn besetzt. Fallen mehrere zentrale Dortmunder Schlüsselspieler aus, muss eilig ein neuer Verteidiger her, der gar keine Spielpraxis hat (Manuel Friedrich), müssen junge und unerfahrene Spieler ohne Einarbeitungszeit plötzlich Verantwortung übernehmen (Erik Durm, Marian Sarr), die Dreifachbelastung aus Liga, Pokal und Champions League schultern. Große Aufgaben, in die man eigentlich hineinwachsen müsste.

Enttäuschte BVB-Spieler auf dem Rasen (Foto: dpa)
Ausgepumpt. Der BVB wird Opfer seines eigenen Tempos und liegt weiter hinter dem FCB zurück.Bild: picture-alliance/dpa

Der erst 18-Jährige Marian Sarr hat diese Zeit nicht. Aus der dritten Liga direkt ins kalte Wasser der Champions League und Bundesliga - und zwar jeweils in der Startelf. Sarr zeigte in Marseille und Hoffenheim gemessen am großen Druck erstaunlich gute Leistungen und sein großes Talent. Doch mal ganz ehrlich: Würde ein 18-Jähriger Innenverteidiger ohne eine einzige Minute Bundesligaerfahrung in der Startelf stehen, wenn die etatmäßige Innenverteidiger Mats Hummels und Neven Subotic nicht verletzt wären? Kaum jemand käme auf diese Idee, wohl nicht mal Jürgen Klopp, der als Förderer der Jugend gilt. Man kann die Not als Tugend verkaufen, wenn das Experiment glückt. Wenn nicht, hat man ein Problem.

Immer 100 Prozent. Geht das überhaupt?

Weil die Defensive auch gegen Hoffenheim wieder unsicher und fehleranfällig war, liegt der BVB schon satte zwölf Zähler hinter dem Rivalen Bayern München. Von Kontrahenten auf Augenhöhe, wie auch wir schon schrieben, kann derzeit keine Rede sein. Strukturell liegt Schwarz-Gelb ein gutes Stück hinter den sportlich wie finanziell vor Kraft strotzenden Bayern. Deren Bank ergäbe eine vermutlich titeltaugliche zweite Mannschaft, Dortmunds Reserve wohl kaum.

Das behutsam aufgebaute Klopp-System ist durch die Ausfälle aus dem Takt geraten. Dieser ist bei der Borussia ein außergewöhnlich hoher. Die Partien werden stets riskant und deswegen sehr laufintensiv geführt, alle Spieler müssen immer die von Klopp geforderten 100 Prozent geben - drunter geht's nicht, so will es das Spielsystem, so will es der Trainer. Besonders für junge Debütanten eine große, vielleicht zu große Herausforderung. Dortmunds Spiel gleicht einem Abnutzungskampf. Und der fordert eben jetzt seine Opfer. Nicht nur die Verletzten, sondern auch Dauerbrenner wie Marseille-Held Kevin Großkreutz brauchen eine Pause. Der BVB wird Opfer seines eigenen Tempos. Das Ergebnis sind fehlende Punkte im wahrscheinlich schon verlorenen Kampf um die Meisterschaft.

Auf dem Zahnfleisch

Dortmund geht auf dem Zahnfleisch ins Hinrunden-Finale, muss im Kampf um Platz zwei weiter Bayer Leverkusen den Vortritt lassen und spürt von hinten bereits den heißen Atem von Borussia Mönchengladbach. Es ist zu befürchten, dass das Drama mit dem Titel Borussia Dortmund in diesem Jahr ohne Happy End bleiben wird.