Der Wochenend-Krieg
Mit Hilfe Ägyptens, der Vereinten Nationen und Qatars gelang es Montagfrüh, der jüngsten Eskalation zwischen Israel und den im Gazastreifen herrschenden Islamisten wenigstens ein vorläufiges Ende zu setzen. Im Vergleich mit früheren Runden blieb der Kampf diesmal kürzer - nur über das Wochenende - und forderte weniger Opfer als sonst. Und dennoch löste er mehr Verwirrung, Verunsicherung und Befürchtungen aus als die Waffengänge der Vergangenheit am und im Gazastreifen: Binnen weniger Stunden waren aus dem von der islamistischen Hamas kontrollierten Gebiet über 800 Raketen auf Israel abgefeuert worden.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Israel bombardierte Hunderte angeblich strategischer Ziele von Hamas sowie der mit ihr verbündeten Gruppe "Islamischer Dschihad". Und es nahm auch die Strategie der "gezielten Tötungen" wieder auf, indem es einen Hamas-Funktionär in seinem Wagen beschoss, der verantwortlich gewesen sein soll für den Fluss von Geldern aus dem Iran in den Gazastreifen. Gelder, ohne die man in Gaza nie in der Lage gewesen wäre, so viele Raketen herzustellen.
Nicht eingehaltene Zusagen
Noch kein Monat ist seit den israelischen Wahlen vergangen und schon scheint der wiedergewählte Benjamin Netanjahu über Bord zu werfen, was Ende vergangenen Jahres noch zur Koalitionskrise und dem Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman geführt hatte: Nach wiederholten Angriffen auf Israel aus Gaza heraus hatte dieser harte israelische Gegenschläge gefordert. Netanjahu aber zögert und zog es vor, nach Vermittlung durch Ägypten schnell einen informellen Waffenstillstand mit Hamas zu schließen.
"Informell", weil die aus der Moslembruderschaft hervorgegangene Hamas bestenfalls zu einer "Hudna" bereit ist: Eine zeitlich begrenzte Waffenruhe, die zwar immer wieder verlängert werden kann, aber kein förmliches Abkommen mit dem von der Hamas nicht anerkannten Israel wäre. Auch die israelische Regierung sprach nicht von einem Abkommen, weil ihr die Spaltung der Palästinenser in Fatah-kontrollierte Westbank und Hamas-kontrolliertes Gaza gut ins Konzept israelischer Herrschaft über ganz Palästina passt.
Gleichwohl machte Israel schon bereits nach der vorangegangenen Angriffswelle im Frühjahr die Zusage, dass es bei Einhaltung einer Waffenruhe durch Hamas bereit sei, verschiedene Restriktionen aufzuheben oder zu entschärfen, die es über den Gazastreifen verhängt hat. Unter anderem werde man Fischern aus Gaza erneut die Zwölf-Meilen-Zone freigeben, die Lieferung von Öl nach Gaza zur Stromerzeugung dort nicht weiter behindern und den Fluss von Millionen-Dollar-Hilfe aus Qatar nach Gaza zulassen.
Doch kaum etwas davon wurde umgesetzt. Nach Beginn der neuen Waffenruhe Montag früh räumten israelische Kommentatoren jedenfalls ein, da habe man "wohl nicht genug getan".
Warum gerade jetzt? Drei Theorien
Am Wochenende war noch gerätselt worden, was Hamas dazu getrieben haben könnte, die Spannung in der Region gerade jetzt zu erhöhen? Eine Erklärung, wenn auch ohne konkrete Beweise: Der Iran habe den "Islamischen Dschihad" vorgeschickt, um die Lage zu eskalieren, nachdem die Hamas in Teheran wegen seiner Absprachen mit Israel in Ungnade gefallen sei. Eine andere Theorie: Der bevorstehende Nationalfeiertag Israels solle gestört werden. Und eine dritte: Ziel sei, den Eurovision Song Contest in der kommenden Woche in Tel Aviv zu torpedieren. Zumindest zur Frage des ESC zeigte Premier Netanjahu sich resolut: Die Angriffe aus Gaza hätten hierauf keinerlei Auswirkungen. Über seine unmittelbaren Probleme sprach Netanjahu nicht: Dass er mitten in Koalitionsverhandlungen steckt, die in dieser Lage nicht leichter werden. Oder dass jetzt in Israel die Abitur-Prüfungen beginnen, die angesichts der nervlichen Belastung der Schüler aufgrund von ständigem Sierengeheul und nach Nächten in Luftschutzräumen eigentlich kaum zumutbar sind.