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Deutschland im Dunkeln

Marko Langer18. Januar 2015

Rettung im letzten Moment? Dresdens Polizei untersagt nach der Morddrohung gegen den "Pegida"-Organisator für einen Tag alle Demos. Die Gefahr ist kurz gebannt, aber die Demokratie bekommt so Kratzer, meint Marko Langer.

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Pegida Demonstration Polizei Sicherheit Terrorgefahr Absage
Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Kennen Sie Dieter Kroll? Der Mann ist Polizeipräsident in Dresden und hat an diesem Sonntag mit seiner "Allgemeinverfügung in Eilzuständigkeit" eine Art Machtwort gesprochen. 24 Stunden lang keine Kundgebungen unter freiem Himmel in Dresden! Kroll spricht von "der unmittelbaren Gefährdung von Leib und Leben einer Vielzahl von Personen". Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt hatten ihm zuvor solche Informationen zukommen lassen: Attentäter seien aufgerufen worden, "sich unter die Protestierenden ("Pegida"-Demonstranten) zu mischen, um zeitnah einen Mord an einer Einzelperson des Organisationsteams zu begehen".

Sind wir (uns) nun sicherer?

Dieser Sonntag ist so ein Tag, wo man den Meldungen kaum über den Weg traut: der vorbestrafte Chef-Pegidaner Lutz Bachmann als mögliches Opfer islamistischer Terroristen? Nachdem seine so genannten Patrioten es über Wochen - übrigens auch mit ziemlicher Unterstützung der von ihnen so genannten "Lügenpresse" - geschafft haben, Stimmung gegen Ausländer zu machen und Deutschland zu verdunkeln?

Der Mann taugt nicht zum Märtyrer. Und doch: Die Terrorgefahr wächst, sagen kluge Beobachter. Man möchte sich nicht vorstellen, was im Falle eines Anschlags los gewesen wäre.

Aber sind wir (uns) nun sicherer? Was ist mit den nächsten Demonstrationen in Dresden, Leipzig und anderswo? Stellen demnächst Karnevalswagen eine Gefährdungslage dar? Hätte man den neuen Titel von "Charlie Hebdo" oder die große Trauerkundgebung in Paris nicht besser auch untersagen sollen, sicherheitshalber?

Marko Langer DW
Marko Langer, DW-NachrichtenredaktionBild: Sarah Ehrlenbruch

Wohl kaum. Auch wenn es schwer fällt: Wir müssen die terroristische Bedrohung aushalten. Dass nun mal so eben das Demonstrationsrecht ausgesetzt wird – und sei es auch nur für einen Tag - kommt einem Offenbarungseid gleich. Die Entscheidung des Polizeipräsidenten hätte einer gerichtlichen Überprüfung nur standgehalten, wenn man konkrete Beweise zur Hand gehabt hätte. Das hat in Dresden erst niemand versucht. Welches Interesse sollte "Pegida" auch daran haben.

Der parlamentarische Arm

Denn beim nächsten Mal werden es noch mehr Menschen sein, die sich von den Rattenfängern in Sachsen auf die abendländischen Straßen locken lassen. "Die Islamisierung hat längst begonnen", bramarbarsiert AfD-Wortführer Alexander Gauland , der Spitzenmann des parlamentarischen Arms der selbst ernannten Patrioten. Ein Rattenfänger, auch der.

Die sächsischen Landesbehörden haben an diesem Sonntag Schaden abgewendet - möglicherweise. Doch in dem großen und unheilvollen Gebrumme über Gefährder, Salafisten, Islamisten, Terrorzellen und andere Bedrohungen ist Deutschland an diesem Wochenende etwas düsterer geworden. Dass es niemanden gibt, der hier wieder Licht machen kann und sogar die Worte der Kanzlerin neulich wenig heilsame Wirkung zeigen, sagt viel aus über das Demokratische in Deutschland 70 Jahre nach dem Ende der ganz dunklen Zeit. Islamistenbedrohung hin oder her.

"An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern", schrieb der Dresdner Erich Kästner. Oder: "Die Vergangenheit muss reden, und wir müssen zuhören. Vorher werden wir und sie keine Ruhe finden."

Und so ist es denn auch.