Ja, ein bisschen Euphorie ist angebracht. Wachstum seit acht Jahren. Das kann sich sehen lassen. Das ist exakt die Zeitspanne, seit Deutschlands Wirtschaft im Jahr 2009 in eine tiefe Rezession gefallen war als Folge der Weltfinanzkrise. In all dieser Zeit hieß die Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie regierte in wechselnden Koalitionen mal mit den Liberalen, mal mit den Sozialdemokraten.
Wobei gerade eine Große Koalition nichts ist, was einen Unternehmer erfreuen muss - im Gegenteil: Man muss eher den Hut ziehen vor den vielen Unternehmern in Deutschland, die sich nicht haben entmutigen lassen von der nicht gerade wirtschaftsförderlichen Politik in dieser Zeit.
Trotzdem hat sich Deutschland wieder zum Zugpferd für den Rest Europas aufgerappelt. Das war nicht immer so. Zur Jahrtausendwende galt die deutsche Volkswirtschaft als der "kranke Mann Europas". Wirklich harte Arbeitsmarkt-Reformen des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (viele erinnern sich dabei meist nur an die sogenannten Hartz-IV-Gesetze, aber da war einiges mehr) brachten das Land wieder in die Erfolgsspur. Die SPD hingegen leidet bis heute darunter, die damaligen Entscheidungen sind für die Partei nach wie vor eine Zerreißprobe.
Es müsste was passieren, tut es aber nicht.
Von der Reformfreudigkeit der damaligen Zeit ist heute, angesichts der guten Wirtschaftsdaten, nichts mehr zu spüren. Je länger die Große Koalition in Berlin am Ruder war, umso mehr erlahmte der Wille, dem Land eine Richtung - oder wenigstens eine Vorstellung davon zu geben, wie man sich denn fit für die Zukunft machen will. Man war vor allem gut darin, Anderen Ratschläge zu erteilen, was denn zu tun sei (fragen Sie die Griechen, die können ein Lied davon singen). Gut, sparen hat auch in Deutschland gut funktioniert, die berühmte "Schwarze Null" des Wolfgang Schäuble wurde teuer erkauft mit einer bröckelnden Infrastruktur, kaputten und schlecht ausgestatteten Schulen und Universitäten und einem lahmenden Ausbau des Breitband-Netzes.
Aber zurück zu den guten Zahlen. Nun ist nicht nur die deutsche Volkswirtschaft gewachsen, insgesamt haben die Länder der Eurozone (und der EU insgesamt) überwiegend auf den Wachstumspfad zurückgefunden. Das ist eine wirklich gute Nachricht, denn selbst das so gebeutelte Griechenland kommt mittlerweile wieder auf ein kleines Plus, und andere Sorgenkinder wie Spanien, Portugal und Irland erst recht. Aber auch hier muss man leider auf die Euphoriebremse treten: Denn das große Sorgenkind heißt Italien.
Mein Gott, Italien!
Nicht mal der Italiener Mario Draghi als Chef des Europäischen Zentralbank hat es geschafft, dem Land wieder zu Wachstum zu verhelfen. Dabei hat er alles dafür getan: Denn die Geldpolitik seines Hauses ist vor allem ein Geschenk für Italien. Blöd nur, dass das Land die Gelegenheit nicht nutzt, sich zu reformieren. Aber Draghis Zeit bei der EZB läuft ab - nicht gut für Italien. Das Land ist Europas Achillesferse - und wenn die nächste Eurokrise ausbricht, dann mit Sicherheit genau dort. Seit 20 Jahren sinkt die italienische Wirtschaftsleistung. (Deutschland hat in den vergangenen 18 Jahren ein Plus von 25 Prozent erwirtschaftet.)
Die Banken des Landes sind vollgesogen mit faulen Krediten, etliche Unternehmen können Bankkredite nicht mehr zurückzahlen und müssten eigentlich längst Konkurs angemeldet haben. Die Banken hingegen haben aufgehört, die Schulden fällig zu stellen, weil sie wissen, dass sie sowieso nichts zurückbekommen. Das wiederum belastet die Bilanzen der Banken. Ein Teufelskreis - und genau das Gemisch für den nächsten großen Knall in der Eurozone.
Damit der Boom in Deutschland weitergehen kann, sind kluge Entscheidungen notwendig. Ob diese Impulse von denen kommen, die derzeit in Berlin versuchen, eine neue Regierung zu schmieden, darf bezweifelt werden. Allein, was aus den Sondierungen (und mehr ist das ja noch nicht, von wirklichen Koalitionsverhandlungen sind wir noch weit entfernt) nach draußen dringt, lässt nichts Gutes ahnen.
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