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Die Fronten weichen auf

Matthias von Hein18. Mai 2015

Parteiübergreifende Initiativen für einen neuen Umgang mit Marihuana, ein Parteitags-Vorstoß der FDP, Demonstrationen für die Legalisierung - es kommt Bewegung in die deutsche Drogenpolitik, meint Matthias von Hein.

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Hanfparade 2014 in Berlin
Bild: Getty Images

Die Fachleute sind sich schon lange einig: Suchtexperten und Polizisten, Mediziner und Juristen haben wiederholt den "Krieg gegen Drogen" für gescheitert erklärt und die Entkriminalisierung von Cannabis gefordert. Mehr als Hälfte der deutschen Strafrechtsprofessoren hält die gegenwärtige Prohibition sogar für verfassungswidrig. Aber Politik ist das Bohren dicker Bretter. Und die Drogenpolitik ist ein besonders dickes Brett. Verstärkt mit Dogmen und moralischen Vorstellungen, imprägniert gegen Erkenntnisse der Wissenschaft.

Und doch mehren sich die Anzeichen, dass auch in der politischen Klasse ein Umdenken beginnt: Die sich gerade neu erfindende FDP hat auf ihrem Parteitag in Berlin mit großer Mehrheit für die Legalisierung von Cannabis gestimmt - unter strengen Auflagen. Nur wenige Tage zuvor hatte der gemeinsame Vorstoß zweier Bundestagsabgeordneter für Aufsehen gesorgt - vor allem weil einer von ihnen aus dem Regierungslager kommt: Der CDU-Abgeordnete Joachim Pfeiffer hatte mit dem Grünen Politiker Dieter Janacek eine Stellungnahme mit dem programmatischen Titel veröffentlicht: "Nur ein regulierter Markt für Cannabis kann organisierte Kriminalität wirksam bekämpfen".

Warum keine Maßnahmen gegen die Volksdroge Alkohol?

Es entbehrt nicht der Ironie, dass die Stellungnahme am gleichen Tag veröffentlicht wurde wie ein OECD-Bericht zum Alkoholmissbrauch. Der warnte vor den Gefahren des Koma-Saufens, speziell unter Jugendlichen. In dem Bericht heißt es abschließend: "Politische Maßnahmen gegen den Alkoholmissbrauch könnten in Deutschland jährlich mehr als 44.000 Leben retten." Weltweit soll nach OECD-Angaben Alkohol die fünft-häufigste Ursache für Tod und Behinderung sein.

Pfeiffers Meinung wurde von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler, prompt zur Einzelmeinung erklärt. Außerdem ließ Mortler wissen, man brauche keine zusätzliche legale Droge, wenn man schon mit Alkohol und Tabak genügend Probleme habe.

Der Haken an der Sache: Das Verbot lässt Cannabis nicht einfach verschwinden. Die Droge ist längst in unserer Kultur angekommen und etabliert. Allein in der Gruppe der 20 bis 25-jährigen sollen in Deutschland knapp die Hälfte bereits Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben. Insgesamt wird die Gruppe regelmäßiger Konsumenten in Deutschland auf zwischen drei und sieben Millionen geschätzt. Warum diese Menschen mit einem Bein im Gefängnis stehen, ist niemandem mehr zu vermitteln. Die meisten von ihnen sind gesetzestreue, Steuern zahlende Bürger. Und die allermeisten fallen mit ihrem gelegentlichen Abweichen von der gesellschaftlich akzeptierten Form des Drogenkonsums mittels Bier-, Wein- oder Schnapsglas gar nicht auf.

Deutsche Welle Chinesische Redaktion Matthias von Hein
DW-Redakteur Matthias von HeinBild: DW

Legal oder illegal - Drogen sind gefährlich!

Dabei ist Cannabis - um das klarzustellen - keineswegs ungefährlich. Keine Droge ist das. Aber wenn Jahrzehnte der Verbotspolitik weder die Nachfrage noch das Angebot verringert haben, muss man nach neuen Konzepten suchen. Und da kann die einzige Richtung nur sein: Schadensminimierung. Durch strikte Regulierung, durch ehrliche Aufklärung, durch Bereitstellung der notwendigen Mittel, um eventuelle negative soziale Folgen abzufedern. Das Geld dafür könnte durch die Besteuerung des Konsums erwirtschaftet werden - ganz so, wie es das Papier von Pfeiffer und Janacek vorschlägt. Bislang mästet sich allein das organisierte Verbrechen an den Umsätzen mit illegalen Drogen.

Es ist ein Irrweg, mit den Mitteln des Strafrechts ein gesundheitspolitisches Problem lösen zu wollen. Diese Erkenntnis setzt sich auch weltweit immer mehr durch. Das zeigen die Initiativen für die Legalisierung von Cannabis in den USA oder in Uruguay. Das Ideal einer drogenfreien Gesellschaft lässt sich noch nicht einmal innerhalb von Gefängnismauern durchsetzen. Und noch viel weniger in einer freien Gesellschaft.

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