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Politik

Die Lüge der Alexa

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
12. April 2019

Überraschend ist es nicht, dass Amazon-Mitarbeiter Privatgespräche des Sprachassistenten Alexa abhören. Es zeigt aber, dass wir uns auf dem Weg in eine Gesellschaft ohne Privatsphäre befinden, meint Martin Muno.

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Lautsprecher Amazon Echo Alexa Voice Service
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Fragt man Alexa, den handlichen Sprachassistenten des Online-Versandhändlers Amazon, ungehemmt: "Bist Du ein Spion?", antwortet das Gerät umgehend: "Nein, der Schutz Deiner Daten ist mir sehr wichtig." Wie wichtig er wirklich ist, konnte man spätestens Ende der Woche erfahren, als bekannt wurde, dass Amazon seine Mitarbeiter tagtäglich tausende Gespräche von Alexa-Kunden mit dem Gerät mithören und abtippen lässt – ohne dass die Nutzer davon wissen. Von Amazon wurde das bestätigt. Es gehe darum, "das Kundenerlebnis zu verbessern", heißt es in einer Stellungnahme.

Die Antwort ist deswegen interessant, weil Amazon das "Kundenerlebnis" höher wertet als die Privatsphäre der Nutzer. Denn es wurden nicht nur "offizielle" Anfragen mitgeschnitten, also solche, in denen Nutzer Alexa explizit ansprachen. In dem vom Finanzdienst Bloomberg veröffentlichten Bericht ist unter anderem die Rede von falschem Gesang aus der Dusche, von Hilferufen eines Kindes und sogar vom mutmaßlichen Fall eines sexuellen Übergriffs. 

Das große Achselzucken

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DW-Redakteur Martin Muno

Es gibt also bei Amazon kein Schuldbewusstsein, dass durch solche Aktionen etwa das im deutschen Grundgesetz verankerte Fernmeldegeheimnis oder das vom Bundesverfassungsgericht explizit formulierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung gravierend verletzt werden könnte. Grundrechte werden bedenkenlos auf dem Altar der "Kundenerlebnisse" geopfert. Das ist die eine Seite des Skandals.

Die andere Seite ist, dass das nur noch von einigen wenigen überhaupt als Skandal wahrgenommen und somit eher achselzuckend hingenommen wird. Anscheinend wiegt die Bequemlichkeit, die Internet-Kommunikation mündlich statt schriftlich zu gestalten, schwerer als die Angst, dass private, ja intime Gespräche an eine wie auch immer geartete Öffentlichkeit geraten.

Die Grenze zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit wird seit Jahren verschoben. Wir bewegen uns langsam, aber sicher auf eine Ära der "Post Privacy" zu. Viele Dinge geben wir freiwillig preis, etwa in unseren diversen Social Media-Accounts. So manches, was wir lieber für uns behalten wollen, kommt dennoch zu Tage, indem unsere Datenspur intelligent verknüpft wird. Zu erinnern ist etwa an das Vorgehen des Daten-Unternehmens Cambridge Analytica, dem es gelang, aus Facebook-Posts detaillierte Persönlichkeitsprofile zu erstellen.

Orwellsche Szenarien

Dass die Einschränkung der Privatsphäre, verbunden mit dem Einsatz von Big Data, die totale Überwachung zur Folge haben kann, sieht man am Beispiel Chinas. Dort wird derzeit ein "Social Credit System" eingeführt, das es den Machthabern erlaubt, nach einem Punktesystem zu entscheiden, wer ein guter und wer ein schlechter Bürger ist – mit der Möglichkeit, letztere zu sanktionieren. Wer bei Rot über die Straße geht oder über die Kommunistische Partei lästert, dem wird verboten, bestimmte Verkehrsmittel zu benutzen oder seine Kinder auf bestimmte Schulen zu schicken.

Ob wir in Europa jemals auch nur in die Nähe solcher Orwellschen Szenarien kommen, darf sicherlich bezweifelt werden. Dennoch: Wir alle sollten etwas vorsichtiger mit unseren Daten sein. Denn wie wir von Alexa lernen: Wir wissen nicht, wer mithört. Wir wissen nur, dass Alexa lügt, wenn die freundliche weibliche Stimme sagt, der Schutz unserer Daten sei ihr wichtig.

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Martin Muno Digitaler Immigrant mit Interesse an Machtfragen und Populismus@martin.muno