Die Petrobras ist nicht die Regierung
12. Februar 2015Die Zweifel der Brasilianer an Dilma Rousseff wachsen: Laut der jüngsten Umfrage des Forschungsinstituts Datafolha halten 44 Prozent der Befragten die Arbeit ihrer Präsidentin für schlecht oder sehr schlecht. Im Dezember dachten erst 24 Prozent so. Dermaßen miese Noten bekam Rousseff nicht einmal während der Massenproteste 2013. Das zeigt, wie sehr die Präsidentin in Verbindung mit dem Korruptionsskandal in der Petrobras gebracht wird, in dem laut bisherigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mindestens 2,1 Milliarden Real, also mehr als 700 Millionen Euro, aus dem halbstaatlichen Ölkonzern veruntreut wurden.
Manche Kritiker spekulieren nun sogar auf ein Amtsenthebungsverfahren wegen Unredlichkeit im Amt. Der Raum, den solche Forderungen derzeit in den brasilianischen Medien einnehmen, könnte zu dem Fehlschluss führen, dass dies ein logischer Schritt zur Sanierung der Petrobras sei. Doch natürlich wissen die Wähler, dass es mit den Rücktritten der Vorstandschefin Graça Foster und fünf anderen Top-Managern aus dem Konzern nicht getan ist. Um die verlorene Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen, wird sehr viel mehr nötig sein. Rousseff loszuwerden, ist aber nicht die Lösung.
Die Interessen des Unternehmens im Blick behalten
Der neue Petrobras-Chef Aldemir Bendine, bisher Chef der staatlichen Banco do Brasil, kann jedoch nicht einfach Tabula Rasa machen. Er muss mit großer Genauigkeit die Subunternehmer-Verträge, aus denen die Millionen abgezapft wurden, identifizieren und umstrukturieren. In Zeiten schwacher Weltkonjunktur und niedriger Ölpreise muss er dies mit besonders großem Geschick angehen, um dem angeschlagenen Unternehmen nicht noch mehr zu schaden.
Gleichwohl wäre es ein Fehler, es dabei zu belassen und damit die Sanierung der Petrobras auf die akute politische Dimension zu reduzieren. All zu häufig werden Staatsunternehmen für politische Zwecke missbraucht. Und ihre Entscheidungsträger wissen, dass Verluste im Notfall mit öffentlichen Geldern ausgeglichen werden. Nun wäre die Gelegenheit, auch strukturelle Reformen anzugehen. Das wäre sowohl für die Petrobras als Unternehmen, als auch für Brasilien als demokratischem Staat enorm wichtig.
Für Kritiker von Staatsunternehmen bietet der aktuelle Skandal einen willkommenen Anlass, wieder einmal die Voll-Privatisierung der Petrobras zu fordern. Aber das wäre nicht nur gegen den Willen der meisten Brasilianer, denen die Petrobras immer noch als geradezu identitätsstiftende Krönung der Industrienation Brasilien gilt. Außerdem greift dieser Lösungsvorschlag ebenso zu kurz, wie der Impuls, den Skandal politisch auszuschlachten.
Das Politische vom Ökonomischen trennen
Die Aufdeckung des Falls ist natürlich zu begrüßen. Dass die Schuldigen belangt werden, sollte selbstverständlich sein. Und natürlich ist es vollkommen richtig, von der Staatspräsidentin einzufordern, dass sie ihrer Pflicht nachkommt, das Staatseigentum vor Kriminellen zu beschützen. Aber die Präsidentin hat auch Recht, wenn sie sagt, dass nicht das Unternehmen, sondern die Verantwortlichen bestraft werden müssen. Nur so lässt man den Tausenden Fachkräften Gerechtigkeit widerfahren, die das Unternehmen zu einem der größten Ölkonzerne der Welt mit 100 Milliarden Euro Umsatz gemacht haben.
Den Wählern sollte es deshalb darum gehen, dass die politische Instrumentalisierung der Petrobras ein definitives Ende findet. Nur so wird die neue Unternehmensführung in der Lage sein, die überfälligen Reformen durchzusetzen. Und nur so kann man die Petrobras aus der Schusslinie eines ideologischen Konfliktes nehmen.