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Politik

Die schwarzen Schafe der SPE

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Robert Schwartz
22. April 2019

Europas Sozialdemokraten wollen sich von ihren rumänischen Genossen distanzieren. Doch wie das gehen soll, darüber herrscht noch kein Konsens. Das ist schlecht für ihre Glaubwürdigkeit, meint Robert Schwartz.

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Rumänien Liviu Dragnea, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei
Bild: Getty Images/AFP/D. Mihailescu

Wer gehofft hatte, die europäischen Sozialdemokraten (SPE) würden ihren rumänischen Genossen endlich die geballte Kraft proletarischen Unmuts entgegenschleudern, sah sich getäuscht. Dabei lässt die nominell sozialdemokratische rumänische Regierungspartei PSD seit über zwei Jahren keine Gelegenheit aus, den Rechtsstaat auszuhebeln und die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie kämpft für eine Amnestie für hochrangige Politiker, die wegen Korruption verurteilt wurden, und zielt dabei vor allem auf eine juristische Entlastung ihres eigenen Vorsitzenden Liviu Dragnea. Sie macht seit Wochen Stimmung dagegen, dass die frühere Leiterin der rumänischen Anti-Korruptionsbehörde, Laura Kövesi, EU-Staatsanwältin werden soll. Und sie vertritt eine teils offen gegen Homosexuelle und gegen Minderheiten gerichtete Politik. 

Nein, ausgeschlossen aus der Familie der SPE wird die rumänische PSD (noch) nicht. Auch suspendiert wird sie nicht, so wie die europäischen Konservativen (EVP) es mit ihrer Schwesterpartei Fidesz des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban vorgemacht hatten. Die Beziehungen zur PSD sollen lediglich "eingefroren" werden. Bis zu den Europawahlen vom 23. bis zum 26. Mai soll es keinen gemeinsamen Auftritt der europäischen Sozialisten mit PSD-Politikern geben. Keine Wahlkampfveranstaltung, keine Podiumsdiskussion, kein TV-Studio mit den Parias aus Südosteuropa. 

Chronik einer angekündigten Scheidung

Die Zukunft der rumänischen sogenannten Sozialdemokraten sieht nicht rosig aus. Anfang der Woche wurde in einer Sonderdebatte des Europaparlaments der kontinuierliche Angriff der PSD-geführten Regierung auf den Rechtsstaat erneut entschieden verurteilt.

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Robert Schwartz, Leiter der Redaktion DW Rumänisch

Kritisch äußerte sich letzte Woche auch die deutsche Justizministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley. Sie kündigte Konsequenzen für die rumänische Schwesterpartei an. Die ließen dann auch nicht lange auf sich warten - fast zeitgleich verkündete SPE-Chef Sergej Stanischew das erwähnte Einfrieren der Beziehungen. Für den bulgarischen Sozialdemokraten Stanischew bestimmt kein einfacher Schritt, weiß er doch nur zu gut, dass seine eigene Partei (BSP) in Sofia das gleiche Schicksal ereilen müsste. Die BSP ist zwar in der Opposition, die langjährigen Korruptionsaffären aus der Zeit, als Stanischew bulgarischer Ministerpräsident war, haben aber tiefe Spuren hinterlassen. 

Realpolitik statt Konsequenz

Dass sich die europäischen Parteien von den schwarzen Schafen in ihrer Familie trennen müssen, dürfte längst auch dem letzten Hinterbänkler im Europaparlament klar sein. Die europäische Demokratie steht auf dem Spiel. Wer da nicht handelt, tritt die zurecht hochgehaltenen europäischen Werte selbst mit den Füßen. Die politische Farbe darf da gar keine Rolle mehr spielen. Und doch wollen die europäischen Sozialdemokraten erst im Juni darüber diskutieren, ob sie die Beziehungen zur rumänischen Schwesterpartei wieder enteisen oder ob man sich tatsächlich endgültig trennt.

Aber warum erst dann? Weil der ganze Prozess vom Ergebnis der Europawahlen Ende Mai abhängt. Die Fraktion der Sozialisten und Demokraten im Europaparlament, zu der die SPE und somit auch die PSD gehören, träumen von einem Wahlsieg und davon, dass ihr Spitzenkandidat Frans Timmermans, zur Zeit Vize-Chef der EU-Kommission, zum Kommissionschef aufrückt. Da zählt jede Stimme - auch wenn sie von den Schmuddelkindern der eigenen Familie kommt. Nebenbei sei erwähnt: Die Fidesz-Suspendierung aus der EVP ist von dieser Partei-Logik auch nicht weit entfernt.

Erst wenn die Rechnung nicht aufgeht, kann man sich wieder geläutert um die eigene Glaubwürdigkeit kümmern. Und sich elegant von einer Partei trennen, die sich - wie die rumänische PSD - längst von den Werten der Sozialdemokratie verabschiedet hat und ein Hort der Korruption geworden ist. Wirklich konsequent ist das nicht - aber eben Realpolitik.