Mit der absoluten Mehrheit für einen Bewerber war angesichts von zehn Kandidaten im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen nicht wirklich zu rechnen. Der Favorit, der national-konservative Amtsinhaber Andrzej Duda, hat die erste Runde jedoch klar für sich entschieden. Der Abstand von rund 13 Prozent zu seinem Herausforderer, dem liberalen Zentristen Rafal Trzaskowski, ist groß. Diesen Vorsprung wird der Oberbürgermeister von Warschau in der Stichwahl nur schwer aufholen können.
Auffallend am Sonntag war die für Polen ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung von mehr als 64 Prozent: Ein Beweis dafür, dass es einigen Kandidaten gelungen ist, Menschen zu mobilisieren, die bisher Wahlen fern geblieben sind. Das gilt vor allem für die Wählerinnen und Wähler von Szymon Holownia, der mit seinen rund 14 Prozent der Stimmen, einen respektablen dritten Platz erreichte.
Müde von Streit und Polarisierung
Der parteilose TV-Moderator Holownia konnte mit seinen Vorstellungen von einem überparteilichen "Bürgerpräsidenten" wohl diejenigen ansprechen, die dem permanenten Parteienstreit und der Polarisierung der Gesellschaft müde geworden sind.
Neben dem klaren Gewinner hat die Präsidentschaftswahl einen klaren Verlierer: Das ist die (ideologische) polnische Linke. Das Ergebnis von nicht mal 3 Prozent ist ein Desaster, andererseits ein Hinweis darauf, dass Duda und die regierende PiS-Partei mit ihrer Sozialpolitik längst diese Wählerschichten abgeworben haben.
Die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen beweisen, dass es für die Mehrheit der Polinnen und Polen vor allem die Sozialpolitik im Vordergrund steht. Dudas Herausforderer Trzaskowski konnte hier kein überzeugendes Angebot machen. Die Zusicherung, man werde die Sozialtransfers der PiS-Regierung nicht rückgängig machen, war wohl zu wenig. Dagegen punktete Duda auf dem Lande und ihn kleineren Städten mit kleinen, aber konkreten Zusagen, zum Beispiel die Remisen mit neuen Feuewehrautos auszustatten.
Klares Votum für die Fortsetzung
Der sich abzeichnende Sieg von Amtsinhaber Duda bei der Stichwahl in zwei Wochen, am 12. Juli, wird langfristige Folgen haben. Duda, der bisher nur selten den Mut hatte, sich gegen die Linie seines politischen Mentors Jaroslaw Kaczynski aufzulehnen, wird für die Vollendung der konservativen Revolution in Polen sorgen. Mehr noch: Er wird das Abdriften Polens in eine halbautoritäre, illiberale Demokratie legitimieren.
Das scheint aber die Mehrheit seiner Wählerinnnen und Wählern nicht zu kümmern. "Es ist die Sozialpolitik - Dummkopf!" bleibt in Abwandlung des geflügelten Zitats des früheren US-Präsidenten Bill Clinton weiterhin das Patentrezept für einen Wahlsieg in Polen.