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Die unendliche Rally

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Lars Halter
1. November 2017

Natürlich wird die aktuelle Rekordjagd an den Börsen einmal zu Ende gehen. Doch wann das geschieht, kann niemand vorhersagen. Und solche Vorhersagen werden auch immer schwieriger, meint Lars Halter.

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Skulptur Bulle und Bär vor der Börse in Frankfurt
Bild: picture alliance/Arco Images

Als der Dow Jones zum ersten Mal die 20.000 Punkte geschafft hatte, setzten sich die Händler an der New Yorker Börse schwarze Baseballkäppis auf: "Dow 20.000" war vorne aufgestickt. Dazu ein breites Grinsen im Gesicht, den Daumen hoch und High-Fives beim Gang übers Parkett. Das war im Januar, und für einen Basbeballkäppi-Besticker irgendwo in Amerika - oder in China - begann ein arbeitsreiches Jahr: Im März schaffte der wichtigste amerikanische Leitindex die 21.000 Punkte, im August die 22.000, im Oktober die 23.000… jedes Mal ging ein neues Päckchen an die Wall Street: immer neue Mützen für immer neue Rekorde.

Wie geht's weiter mit dem Dow Jones, dessen Wert sich seit 2009 mehr als verdreifacht hat? Wer sich an der Wall Street umhört, findet keinen Grund warum der Index in diesem Jahr nicht auch die nächsten Hürden nehmen sollte. Dow 25.000 bis Jahresende?

Die Zeichen an der Wand sind schon zu lesen

Dabei gibt es streng genommen schon den ein oder anderen Grund, warum für den Dow Jones irgendwann Schluss sein muss. Und übrigens auch für den Dax in Frankfurt, wo sich die Händler aber auch an Jubeltagen keine Käppis anziehen. Überhaupt freut man sich in Frankfurt höchstens mal im Stillen. Auf dem Parkett wird geflüstert, darüber das mechanische Flattern der Wertpapiertafeln. Die Frankfurter Börse klingt wie ein leerer Wartesaal an einem alten Flughafen. Irgendwie unheimlich. Für mich passt das aber besser zu dem Unheil, das der Börse doch irgendwann droht.

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DW-Wirtschaftsredakteur Lars Halter

Denn die Rekordjagd der Aktienmärkte läuft schon viel zu lang und vor allem ohne eine nennenswerte Korrektur. Aktien sind heiß gelaufen, das Kurs-Gewinn-Verhältnis hat ein abenteuerliches Niveau erreicht. Überhaupt war es nur zwei Mal höher: unmittelbar vor dem Crash von 1929 und unmittelbar vor dem Crash von 1987. Das sollte einem doch zu Denken geben.

Auch, dass die Börsen seit Jahren schneller wachsen als die Wirtschaft, die sie ja eigentlich abbilden sollten. Das beunruhigt auch Warren Buffett. Sein wichtigster Börsenindikator vergleicht die Marktkapitalisierung der Börsen mit dem dazugehörigen Bruttoinlandsprodukt. Das richtige Verhältnis sieht der legendäre Investor bei 70-80 Prozent, zur Zeit liegt es rund doppelt so hoch: bei 139 Prozent. Buffett sagt: Das ist ein Spiel mit dem Feuer.

Die Rahmenbedingungen stimmen einfach

Und doch: Bisher hat sich noch keiner die Finger verbrannt. Für einen richtigen Crash bräuchte es einen Auslöser, sind sich die Börsianer einig. Ich hätte ja gedacht, dass ein umstrittener Präsident ein solcher Auslöser sein könnte - Fehlanzeige! Unter Donald Trump klettern die Börsen weiter, Handelskrieg hin, Atomkonflikt her.

Ein klassischer Auslöser für einen Absturz wäre auch eine deftige Zinserhöhung durch die Notenbank, wie das etwa in den Achtzigerjahren der Fall war. Aber von der Seite droht aktuell keine Gefahr. Die Fed hat sich zwar von ihrer Nullprozent-Politik verabschiedet, doch hebt sie den Leitzins nur ganz beschaulich an und wird wohl auf Jahre hinaus nicht auf ein Niveau vorstoßen, dass man früher einmal gewohnt war. Auch von der EZB sind solche markterschütternde Schritte nicht zu erwarten, da traut man sich ja kaum, die Anleihenkäufe herunterzufahren.

Die alten Regeln gelten nicht mehr

Solange die Zinsen niedrig bleiben, sind die Renditen am Aktienmarkt umso attraktiver. Immer mehr Geld wird hier investiert werden, und so werden auch andere einst aussagekräftige Börsenregeln und Bauernweisheiten ausgehebelt werden. Dass es etwa in "Siebener-Jahren" zu bösen Herbststürmen kommt. Tatsächlich brachen die Aktienmärkte 1977, 1987, 1997 und 2007 im letzten Quartal jeweils ein. Aber in den vergangenen Jahren haben sich die Börsen derart verändert, dass solche Traditionen nichts mehr bedeuten - die klassischen Fundamentaldaten wie Quartalszahlen oder Konjunkturdaten auch nicht. Das Aufkommen des Hochfrequenzhandels brachte das Ende der vorhersehbaren Märkte.

Und so habe ich selbst vor Jahren aufgehört, vor dem bevorstehenden Crash zu warnen. Ich habe als Börsenreporter in New York und Frankfurt immer wieder erklärt, warum das Wettrennen um neue Rekorde nun aber wirklich vorbei sein sollte - und ich lag jedes Mal falsch. Irgendwann werde ich natürlich Recht bekommen und die Börse einen gewaltigen Crash erleben, aber bis dahin dürften weniger skeptische Anleger noch das ein oder andere Prozent einstreichen.