Die US-Wähler verdienen Klarheit
Gerade als alle dachten, der groteskeste Wahlkampf der jüngeren Vergangenheit könnte nicht mehr merkwürdiger werden, nahm die Auseinandersetzung zwischen Donald Trump und Hillary Clinton erneut eine unerwartete Wendung.
Sie kam in Form einer knappen Notiz, die FBI-Direktor James Comey am Freitag an führende Kongressmitglieder verschickte: In 169 Wörtern teilte er mit, dass seine Behörde Kenntnis von weiteren E-Mails erlangt habe, die "offenbar zu der ersten Untersuchung von Clintons privaten Mails " passten. Er könne jedoch weder sagen, wie lange die neuen Ermittlungen dauern würden noch ob das neue Material von Bedeutung sei.
Kampf um die Deutungshoheit
Auf das Bekanntwerden der neuen FBI-Ermittlungen folgten unmittelbar jede Menge Vermutungen von nicht namentlich genannten Quellen, wer wohl diese Informationen lanciert hat, was in den Mails stehen oder wer sie geschrieben haben könnte. Doch angesichts des beharrlichen Schweigens des FBI-Direktors und seiner Behörde ist es unmöglich, diese Behauptungen zu bestätigen oder zu widerlegen.
Wenig überraschend, dass die Republikaner und ihr Präsidentschaftskandidat Donald Trump - in jüngsten Umfragen deutlich hinter Clinton zurückliegend - jetzt versuchen, daraus politischen Profit zu schlagen. Und genauso wenig überraschend, dass die Demokraten die Sache runterspielen.
Doch alle Versuche, die Angelegenheit dafür zu nutzen, um die Öffentlichkeit für sich einzunehmen, basieren derzeit lediglich auf der dürren Mitteilung von FBI-Direktor Comey. Und das reicht einfach nicht aus, knapp zwei Wochen vor dem Finale eines Wahlkampfes, der die Amerikaner in einer Weise in zwei Lager gespalten hat, wie es sich vorher nicht einmal die zynischsten Beobachter hätten ausmalen können.
Dunkle Wolken über der Wahl
Denn die FBI-Ermittlungen haben das für Viele Undenkbare getan: Sie haben den Einsatz bei dieser Wahl noch einmal erhöht: Denn entweder der Umgang mit den neuen Mails, die in Verbindung gebracht werden mit der Favoritin auf das Präsidentenamt der Vereinigten Staaten, oder ihr Inhalt erreichen - anders als die bisher vom FBI untersuchten Dokumente - ein kriminelles Niveau und könnten damit wahlentscheidend sein - oder eben nicht.
Es würde dem Mann, der diese neue Untersuchung zu diesem höchst kritischen Zeitpunkt vorantreibt, gut zu Gesicht stehen, seine Entscheidung jetzt öffentlich zu machen und die Angelegenheit vor dem Wahltag aus dem Weg zu schaffen - auf die eine oder die andere Weise.
Was aber noch entscheidender ist: Comey hätte wissen müssen, dass ein wenig präzises Statement von 169 Wörtern einem so schwerwiegenden Thema nicht gerecht werden kann. Die Amerikaner haben etwas Besseres verdient und sollten nicht im Ungewissen gelassen werden. Der Ball liegt wieder in Comeys Feld.
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