Diesel-Deutschland zuerst!
Herausgekommen ist bei diesem Dieselgipfel genau das, was zu erwarten war: Erfolge für alle. Die Autohersteller kommen zunächst um die wirklich teure Hardware-Umrüstung herum. Die Ministerpräsidenten der Länder, in denen die Hersteller ihre Standorte haben, haben Arbeitsplätze in ihrem jeweiligen Bundesland gesichert. Die Städte bekommen Geld, um Busse umzurüsten und Verkehrsflüsse intelligenter zu gestalten und damit die Belastung für die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu verringern. Und die Bundespolitiker stellen scharfe Überprüfungen für 2018 in Aussicht und schaffen sich so Ruhe bis zur Wahl in sieben Wochen. Fahrverbote sind zunächst vom Tisch, Diesel-Deutschland atmet auf.
Industriepolitik für Deutschland…
Bereinigt ist das Grundproblem damit nicht. Dieses liegt weniger in der verschmutzten Luft, die immer noch besser ist als früher (Persönliche Anmerkung: Ich fahre einen zehn Jahre alten Diesel deutscher Produktion, Euro-Norm 4. Außerdem habe ich früher wirklich viel geraucht, auch in geschlossenen Räumen, 25 Jahre lang).
Das Grundproblem liegt in einer Industriepolitik, die verschiedene Interessen gleichzeitig schützen soll: Die der Autoindustrie, die wesentlich für die grandiose Außenhandelsbilanz Deutschlands ist. Die Interessen der 800.000 Menschen, die bei den Herstellern beschäftigt sind, die der vielen Menschen, die im Einzelhandel, als Dienstleister an den Standorten ihre Brötchen verdienen. Und die Interessen der Politik, die bewahren will – den Standort, den Wohlstand, ihre Wähler, der eine oder die andere vielleicht auch die Großspenden für die Partei. Verschärfungen für europäische Abgasnormen in Brüssel wurden abgebremst und Hinweise auf Betrügereien und Kartellabsprachen möglicherweise gezielt übersehen. Alles im Dienste genannter Interessen.
…ist Industriepolitik gegen Deutschland
Und das lief und lief. So wie der Dieselmotor, erfunden im Jahr 1893, über hundert Jahre lang verfeinert und jetzt offenbar an seiner Grenze. Mit ihm die deutsche Autoindustrie, die satte Gewinne mit ihm eingefahren und darüber nicht gesehen hat, dass die Welt sich verändert – weg vom Verbrennungsmotor, weg von der Geldmaschine Made in Germany. "Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenheit an Distanz zur Automobilindustrie hat mangeln lassen", hat die deutsche Umweltministerin am vergangenen Wochenende eingeräumt.
Man stand so dicht voreinander, dass der Blick in die Zukunft verstellt war. Was wir erleben, ist ein Lehrstück über die Folgen einer national ausgerichteten Industriepolitik. "Germany first", deutsche Interessen zuerst, das hat für eine begrenzte Zeit finanziell fantastisch funktioniert. Es hat dazu verleitet, immer so weiter zu machen. Auf der Strecke geblieben dabei: Das deutsche Auto der Zukunft und Vertrauen. Vertrauen in die Autoindustrie und in die Politik und in die Zukunftsfähigkeit von beiden.