Es könnte ein Anfang sein, der Anfang vom Ende. Die Opposition in Venezuela hat damit begonnen, Unterschriften für ein Referendums gegen den Präsidenten zu sammeln. Tausende Venezolaner sind dem Aufruf bereits gefolgt, an den Ständen mit den Unterschriftenlisten bildeten sich lange Schlangen. Dass die notwendigen knapp 200.000 Stimmen für den ersten Schritt des langen und komplizierten Verfahrens zusammenkommen, gilt als sicher. Und auch die Mehrheit für eine Amtsenthebung ist allen Umfragen zufolge stabil.
Aber die noch kurze Geschichte des venezolanischen Parlaments nach dem Erdrutschsieg der Oppositionsparteien lehrt, dass der Wille des Volkes in Venezuela keine Richtschnur mehr für politisches Handeln ist. Die Chavisten haben sich den Staat zur Beute gemacht. Alle Institutionen - vom Obersten Gerichtshof über die nationale Wahlbehörde bis hin zum staatlichen Ölkonzern - sind fest in der Hand der Regierung. So hat sie bislang jede kritische Entscheidung des neugewählten Parlaments erfolgreich ausgebremst, und so kann sie auch das Referendum ins Leere laufen lassen.
Viel eleganter als offene Unterdrückung
Maduros Bürokraten schaffen effizient und unauffällig, was offene Unterdrückung längst nicht so elegant hinbekommen würde: den lästigen politischen Gegner kalt zu stellen. Selbst noch nach dem überwältigenden Erfolg der Opposition bei der anerkanntermaßen freien Parlamentswahl schrieben die Chavisten ihre Usurpation des Obersten Gerichtshofes mit atemberaubender Chuzpe auf Jahre hinaus fest. Diese Neubesetzung der Richterposten war juristisch mehr als zweifelhaft, doch internationaler Protest blieb aus. Damit hatte Maduro freie Bahn: Von der trickreichen Aushebelung der Zwei-Drittel-Mehrheit der Opposition im Parlament bis hin zu den Verzögerungsmanövern der nationalen Wahlbehörde kann in Venezuela keine Regierungsentscheidung mehr höchstrichterlich angefochten werden - jedenfalls nicht mit Aussicht auf Erfolg.
Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun. Aber die Chavisten haben es mit der bürokratischen Bemäntelung ihrer Machtstrategie bisher immer noch geschafft, internationalem Druck in letzter Minute geschmeidig aus dem Weg zu gehen. So rückte die Wahlbehörde die Listen für den Aufruf zum Referendum erst heraus, als die Opposition Protestmärsche ankündigte. Die Bearbeitung der Unterschriftenlisten stellt die nächste Hürde dar: Der Wahlbehörde ist zwar eine Frist von 20 Tagen dafür gesetzt, doch zufällig hat die Regierung die Arbeitszeit für den öffentlichen Dienst just mit Beginn der Unterschriftensammlung auf zwei Tage in der Woche reduziert - angeblich wegen der Energiekrise.
Solcherart kafkaeske Manöver sind noch weitere zu erwarten, und der Opposition läuft die Zeit davon. Wenn sie das ganze umständliche Verfahren des Referendums nicht bis zum 10. Januar abschließt, gibt es keine Neuwahlen, sondern Maduro wird lediglich durch seinen Vizepräsidenten ersetzt.
Die Bürger verlieren die Geduld
Die Regierung spielt schamlos auf Zeit, während die Venezolaner die Geduld verlieren. Die galoppierende Inflation, die leeren Regale in den Supermärkten, die ständigen Stromausfälle und Rationierungen zehren an den Nerven. Schon hat es gewalttätige Proteste und Plünderungen gegeben, die von der Regierung natürlich der Opposition zugeschrieben werden. Deren Unterschriftensammlung blieb bisher friedlich; noch hält sich dieses äußerst heterogene Bündnis verschiedenster Oppositionsparteien diszipliniert an die verfassungsmäßig vorgesehenen Prozeduren. Aber der Druck im Land steigt.
Die internationale Gemeinschaft äußert sich nach wie vor nur sehr verhalten und verdruckst. Ganz offensichtlich sind die Venezolaner auf sich gestellt - nur sie selbst können eine Katastrophe vermeiden. Mit noch mehr Geduld, mit noch mehr Beharrlichkeit und Disziplin. Auch die Chavisten leiden unter den Zuständen. Sie sollten sich fragen, wieviel ihre Regierung eigentlich noch mit ihren Idealen zu tun hat.
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