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Ego-Shooter gehören zur Alltagskultur

Ananda Bräuning Kommentarbild PROVISORISCH App
Ananda Bräunig
8. August 2015

Spielen verändert die Gesellschaft. Deshalb dürfen wir uns die Neuigkeiten der Gamescom nicht entgehen lassen, findet Ananda Bräunig - solange man sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt.

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Besucher der Gamescom 2015 in Köln
Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

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Die Höhlenmenschen haben es getan, die Römer haben es getan, und wir tun es auch: spielen. Der Spieltrieb ist die wichtigste Eigenschaft des Menschen, um eine Kultur weiterzuentwickeln.

Bei der Spielemesse Gamescom in Köln präsentieren sich über 800 Aussteller auf rund 190.000 Quadratmetern Messefläche und überschütten den Markt mit neuen Spielen: "Uncharted 4", "Star Wars: Battle Front", "Mafia 3". Aber auch uralte PC-Spiele auf vergilbten Monitoren haben diesmal einen eigenen Bereich. Außerdem gibt es Hallen für verkleidete Cosplayer und für Indie-Games, einen Bereich für Familienspiele, mehrere für Massen-Rollenspiele und Ego-Shooter. Und nicht zu übersehen: einen Stand der Deutschen Bundeswehr, dekoriert mit einem gewaltigen Reifenpanzer.

Nicht die Game-Szene außer Acht lassen

Ich selbst, Jahrgang 1985, bin gerade noch ein "digital native". Ich war in der Grundschule, als auch wir endlich einen C64 bekamen, einen 8-Bit-Heimcomputer mit 64 KB Arbeitsspeicher. Stundenlang spielten wir "Bubble Bobble", ein Jump'n' Run-Spiel, bei dem die pixeligen Heldenfiguren Blasen spucken, um ihre Gegner einzuhüllen. Dann kam der Gameboy, später die X-Box, heute sind es vor allem Smartphone und Tablets, mit denen ich gelegentlich spiele. Und dennoch: Für mich ist ein Tag bei der Gamescom ein digitaler Overkill.

Mehr als 300.000 Menschen pilgerten in dieser Woche bereits zur Gamescom. Die Game-Szene ist vor allem eins: riesig groß und nahezu unüberschaubar. Gerade deswegen sollten wir sie aber nicht scheuen oder außer Acht lassen. Denn Computerspiele, sogar Ego-Shooter, sind ein elementarer Bestandteil unserer Kultur geworden - ob wir wollen oder nicht.

Ein Gedankenexperiment: Leben ohne digitale Spiele

Computerspiele haben in unserer Gesellschaft überall Wurzeln geschlagen. Ein Gedankenexperiment: Wir vernichten alle digitalen Spiele, die uns im Alltag umgeben – und damit meine ich alle: Wir löschen die Game Apps von unseren Smartphones - adieu Quizduell! Beim Besuch im Altenheim überbringe ich meiner Oma die Botschaft, dass die Wii-Konsole, mit der die Bewohner "Bowling" spielen, wieder abgeschafft wird. Dann besuche ich die Schulen und sage den Lehrern, dass sie das Tablet wieder einpacken sollen und künftig nicht mehr mit spielerischen Apps wie "Zahlenzorro" Mathematik lernen können. Kurz und gut: Computerspiele sind ein wichtiger Bestandteil unserer Alltagskultur. Aber nicht nur das. Digitale Spiele verweben - wenn sie gut gemacht sind - Film, Literatur, Musik und Design. An 3D-Spielen arbeiten Programmierer und Ingenieure, aber auch Autoren, Designer und Architekten.

Ananda Bräunig
DW-Reporterin Ananda BräunigBild: DW

Spieltrieb im "Homo ludens"

Computerspiele sind mehr als nur Kommerz. Genauso wie analoge Spiele haben sie großen Einfluss auf unsere Gesellschaft, auch wenn es uns nicht bewusst sein mag. Und das ist gar nicht neu. Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga nannte 1939 den "Homo ludens", also den "spielenden Menschen" beim Namen. Huizinga erklärte, warum der Mensch überhaupt spielt - denn wir spielen nicht nur aus Langeweile. Seit jeher entwickeln wir damit unsere Fähigkeiten weiter. Wenn mehrere zusammen spielen, dann festigt das eine Gesellschaft – und die Spieler feilen die Gesellschaft weiter aus. Huizinga ging sogar soweit zu sagen, kulturelle Systeme wie Politik, Wissenschaft, Religion oder Recht habe man ursprünglich aus spielerischen Verhaltensweisen entwickelt.

Im digitalen Zeitalter ist es also nicht verwunderlich, dass viele digitale Spiele lieben. In Deutschland spielen mitterweile fast die Hälfte aller Menschen an PC, Smartphone oder Spielkonsole. Die Lust am Spiel bleibt gleich, nur die Form hat sich verändert.

Machen Ego-Shooter aggressiv?

Games gehören deshalb zu unserer Kultur. Aber ganz ehrlich: Mir wird auch ganz anders, wenn ich bei der Gamescom an einem Ego-Shooter-Fan in Tarnkleidung vorbeilaufe, der stolz eine übergroße Shotgun mit sich herumträgt. "Ego-Shooter machen aggressiv", sagen viele. Möglich - genauso wie Horror- oder Actionfilme dieses Potential haben. Nicht jeder Film oder jedes Game sind unbedingt kulturell und pädagogisch wertvoll. Das gilt aber für alle Kulturbereiche, sogar für die Literatur: Ist "Fifty Shades Of Grey" keine Kultur, nur weil ich das Buch nicht mag? Auf der Gamescom sind ebenso wie auf Buchmessen eben alle Genres vertreten - ob das dem Geschmack des Einzelnen entspricht oder nicht.

Virtuelle Welt mit Lerneffekt

Menschen, die digitale Spiele spielen, pendeln zwischen der realen und der virtuellen Welt. Und das ist auch in Ordnung. Wichtig ist aber, dass jeder – ob Gamer oder nicht - sich mit der Game-Szene und ihren Spielen auseinandersetzt. Denn es gibt immer noch Eltern, die ihre Kinder nicht jugendfreie Games zocken lassen, weil sie bei der Game-Szene nicht ganz durchblicken oder sagen, es sei doch "nur" ein Spiel. Es gibt aber auch die andere Seite, diejenigen, die Computerspiele komplett verteufeln. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Denn es gibt einen immer größer werdenden Markt an Indie-Gamern, die Spiele entwickeln, die kulturell wertvoll sind - weil sie uns zeigen, wie es einem Krebspatienten im Endstadium geht oder wie wir einen neuen Planeten besiedeln könnten und trotzdem dabei die Umwelt schützen. Und das sollten wir uns nicht entgehen lassen.

Gamerin mit Speziallbrille
Werden hier Zukunftsvisionen wahr?Bild: UNI/Reuters