Ein Anfang. Nicht weniger, nicht mehr
19. Oktober 2014
Man kann an dieser Außerordentlichen Bischofssynode vieles loben. Es war gewiss die spannendste der vergangenen Jahrzehnte, die ehrlichste. Und zu Beginn herrschte beim ein oder anderen geradezu Euphorie. Außerordentlich - der Begriff trifft es. Vorbei die Jahre einer bleiernen römischen Zeit, in der zu Beginn der bischöflichen Beratungen zumeist schon feststand, was zum Ende der geistlichen Gemütlichkeit alles gesagt und vor allem was bitte nicht angesprochen werden sollte. Man diskutierte jetzt kontrovers und wurde auch mal persönlich, man rang um den richtigen Weg, stritt und blieb doch zusammen.
Das ist schon viel, ziemlich viel. Nicht nur für die Kirche. Das weiß zu schätzen, wer in den vergangenen Jahren in Deutschland mal einen Parteitag einer sogenannten Volkspartei miterlebt hat - mit purer Lust an zivilreligiöser Inszenierung, bei der eigentlich nur noch der Weihrauch fehlte, mit verordneter Eintracht, einem dramatischen Mangel an Streitkultur und -kompetenz und längst vorformulierten Abschlusserklärungen.
Dass in der vatikanischen Synodenaula nun so gestritten wurde, zeigt, dass es tatsächlich im Kern um etwas geht. Und die Ergebnisse des Abschlussdokuments zeigen, dass es ein hartes Ringen war und bleiben wird. In manchem sehen die Delegierten die Situation von Familien realistischer, als es in römischen Dokumenten üblicherweise klingt. Aber gerade die beiden Themen, auf die reformorientierte Kräfte schauen, verfehlten (als einzige) eine Zweidrittel-Mehrheit: die Frage des Sakramentenempfangs für wiederverheiratete Geschiedene und der Umgang mit Homosexuellen. An diesem letzten Punkt lässt sich die Spannung der Synodenteilnehmer verdeutlichen. Manche von ihnen sprechen davon, natürlich stehe die Tür der Kirche auch Homosexuellen offen, es gebe keine Diskriminierung, es gehe um ein Willkommen - um dann fast im gleichen Atemzug vom "Mitleid" der Kirche gegenüber Homosexuellen zu sprechen. Klingt "Mitleid" wirklich nach "Willkommen"?
Schon vor Synodenbeginn war klar, dass die 14 römischen Spätsommertage nur eine Etappe auf einem längeren Weg sein sollten. Als nächstes soll es darum gehen, die strittigen Fragen und auch die einmütigen Haltungen weltweit zu diskutieren. In den Diözesen, in den Pfarrgemeinden, in den Bischofskonferenzen. Und auch Papst Franziskus, der - wohl klug - in der Synode so lange geschwiegen hat, wird sicher bei der ein oder anderen Gelegenheit das Wort ergreifen. Bis zum nächsten Herbst, wenn sich die Synodenaula wieder mit Delegierten aus aller Welt füllen soll und es wieder um das Themenfeld "Familie und Sexualmoral" gehen wird, stehen unter anderem Reden (noch in diesem Jahr) vor dem Europaparlament in Straßburg und (im Jahr 2015) bei politischen Begegnungen in Paris, New York und Washington an. Das Thema Familie wird dabei gewiss zur Sprache kommen. Und wohl im Februar wird der Papst in einem Konsistorium neue Kardinäle kreieren - vielleicht bietet das die Chance, seinen Kurs personeller Erneuerung fortzusetzen.
Wenn denn der Papst will, dass sich die katholische Lehre weiter entwickelt und dass die Kirche den Menschen annimmt, wie es das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) verheißen hat, dann darf er dafür auch weiter werben. Vor Beginn der Synode hatte Franziskus den Wunsch geäußert, sie möge "den Schrei des Volkes hören". Da meinte er gewiss nicht, dass alles so bleiben möge, wie es denn bislang war. Die katholische Kirche hat eine spannende Synode hinter sich. Die Ergebnisse sind gewiss nicht aufsehenerregend. Aber das Treffen bedeutet einen Anfang. Der Rest bleibt abzuwarten.