Nur Ego reicht nicht fürs Weiße Haus
Donald Trumps Stern sinkt. Wochenlang führte er in den Umfragen unter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Vor allem, weil er auf unkonventionelle Weise ein Thema aufgriff, das vielen Amerikaner auf der Seele liegt: die illegale Einwanderung. Doch bei der TV-Debatte der republikanischen Kandidaten hatte er keine wirkliche Lösung für dieses Problem parat. Auch in außenpolitischen Fragen verbreitet er Plattitüden. Sein Ego mag so groß sein wie ein US-Flugzeugträger. Doch das reicht nicht, um zu überzeugen. Was für eine verpasste Chance! Kein anderer Politiker bekam vom gastgebenden Fernsehsender so viel Redezeit zugebilligt und nutzte diese so schlecht wie der New Yorker Milliardär. Trump hat beim Rennen ums Weiße Haus seinen Zenit überschritten.
Mit dem Charisma einer Büroklammer
Die Frage ist: Wer wird davon profitieren? Vielleicht Jeb Bush, der in den bisherigen Umfragen an zweiter Stelle rangiert? Bei der Debatte hat er keine größeren Fehler gemacht, immerhin einen Achtungserfolg errungen. Mehr nicht. "Jeb" überzeugt, wenn es um das Thema Erziehung oder Wirtschaftspolitik geht. Allerdings wirkte er auf der riesigen Bühne in Cleveland im Bundesstaat Ohio verloren. Bush hat das Charisma einer Büroklammer. Im Medienzeitalter braucht es mehr, um zu siegen.
Ganz anders Senator Marco Rubio aus Florida. Er präsentierte sich als jugendliche Alternative zu den deutlich älteren Konkurrenten. Er war voller Energie, schlagfertig, sprach schnell und ohne auf seinen Spickzettel zu starren - so wie einige andere Kandidaten. Rubio hat sicher einige Prozentpunkte hinzu gewonnen. Gleiches gilt auch für den Gouverneur von Ohio, John Kasich. Er präsentierte sich als moderate Alternative. Jemand, der nicht - wie andere Kandidaten - polarisiert, sondern Menschen mit unterschiedlichen Ansichten zusammen bringt.
Kein "Frontrunner"
Traurig für die Republikaner: Sie haben keinen wirklichen "Frontrunner", keinen Favoriten. Auch nicht nach dieser Debatte in Ohio. Insgesamt glich der Auftritt der republikanischen Präsidentschaftskandidaten mehr einer mündlichen Schul-Prüfung als einer Debatte unter Politikern, die Präsident werden wollen. Alle Kandidaten sagten ihre auswendig gelernten Sprüche auf, mal mit mehr, mal mit weniger Leidenschaft. Jetzt am Anfang des Präsidentschaftswahlkampfes geht es ihnen vor allem darum, Ausrutscher zu vermeiden. Den meisten ist dies gelungen. Dieser Debatte werden weitere folgen. Der Ton dürfte schärfer werden. Hillary Clinton, die wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten, wird dies freuen.