Ein unwürdiges Spiel
Keine Frage: Die griechischen Banken hängen am Tropf der Europäischen Zentralbank. Seit Monaten gewähren die Euro-Hüter in Frankfurt am Main den hellenischen Geldhäusern Notfall-Kredite, sogenannte ELA-Hilfen (Emergency Liquidity Assistance). Ohne die Geldquelle wären die Institute wohl pleite - und in der Folge auch Griechenland. Erst am Montag haben die Zentralbanker per Telefonkonferenz beschlossen, diese Notkredite auf dem Niveau vom 26. Juni zu belassen. Insidern zufolge sind das rund 89 Milliarden Euro.
Damit kommt den obersten Währungshütern eine Schlüsselrolle in der griechischen Finanzkrise zu. Fakt ist, dass die EZB momentan die einzige Institution ist, die den Grexit verhindert - und sie ist die einzige Institution, die ihn auslösen kann. Würde der Rat der Zentralbank mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen, die Notkredite für griechische Banken einzustellen, könnten sich die Hellas-Banken nicht mehr refinanzieren - das wäre der Anfang vom Ende.
Legitimation ist fraglich
Die Frage ist allerdings, ob die EZB als demokratisch nicht legitimiertes, aber angeblich unabhängiges Organ diese Schlüsselrolle überhaupt einnehmen darf. Widerspruch kommt bekanntlich besonders aus Deutschland. Dem Vernehmen nach hat Bundesbank-Präsident Jens Weidmann im EZB-Rat mehrfach gegen weitere ELA-Kredite für griechische Banken votiert. Und er hat gute Gründe dafür. Denn man kann in diesen Krediten auch eine indirekte Staatsfinanzierung sehen, die der EZB freilich aus guten Gründen verboten ist.
Noch drastischer legt Hans Werner Sinn den Finger auf die Wunde. Der Präsident des Münchener Ifo-Instituts sieht in den Nothilfen für die Hellas-Banken den Straftatbestand der Insolvenzverschleppung. Und damit hat er recht. Denn jeder weiß, dass Athen und seine Banken pleite sind. Die Idee bei den ELA-Krediten war, dass nur die griechische Zentralbank haftet. Die kann aber nur für 41 Milliarden Euro haften - das ist ihr Eigenkapital-, hat aber schon Kredite für 89 Milliarden Euro ausgegeben.
Aufgedrängte Rolle
Ohne Zweifel sind die europäischen Währungshüter in einer höchst unkomfortablen Situation. Viele glauben, sie seien in ihre Rolle gedrängt worden und müssten die ELA-Kredite durchwinken, bis ein Signal aus der Politik kommt, wie es mit Griechenland weitergeht. Doch die Signale aus der Politik lassen auf sich warten. Ein europäisches Gipfeltreffen löst das nächste ab und nichts passiert.
Was ist eigentlich aus dieser Institution geworden, die einmal nach dem Vorbild der Bundesbank gegründet worden ist, das heißt: unabhängig von politischer Einflussnahme? Was ist aus der Institution geworden, die einzig und allein der Stabilität der Währung verpflichtet sein sollte? Die weder Wechselkurs- noch Konjunkturpolitik betreiben sollte?
Diese Institution und ihr italienischer Chef Mario Draghi dehnen die Paragraphen ihrer Satzung bis zur Unkenntlichkeit aus - so lange, bis Konkursverschleppung und Staatsfinanzierung ganz normal und legal aussehen. Das hat schon vor fünf Jahren begonnen, als die EZB anfing, griechische Staatsanleihen zu kaufen. Das war bis dahin ein Tabu, ein Bruch mit den Regeln, der schon damals stark nach verbotener Staatsfinanzierung gerochen hat.
Ende in Sicht
Doch irgendwann kommt auch ein Ende für diese unselige Arbeitsteilung, die darin besteht, dass die EZB den Politikern Zeit erkauft, die diese Zeit wiederum damit vergeuden, sich von Pokerspielern aus Athen bluffen zu lassen. Trotz geschlossener Banken und Kapitalverkehrskontrollen fließen immer noch täglich 150 bis 250 Millionen Euro aus den Hellas-Banken ab, schätzen Experten. Sollten die Banken jemals wieder öffnen, wäre alles andere als ein Massenansturm auf die Schalter ein Wunder.
Halten die Banken bis zum 20. Juli durch, kommt der nächste Zahlungstermin. Dann muss Athen der Europäischen Zentralbank 3,5 Milliarden Euro für fällige Staatsanleihen zurückzahlen. Wenn Athen dieses Geld nicht aufbringt, kann die EZB nicht anders, als Griechenland für bankrott zu erklären. Griechische Staatsanleihen sind dann offiziell wertlos, können also auch nicht mehr als Sicherheiten für ELA-Kredite dienen - also muss die EZB diese Kredite zurückfordern.
Kurzum: In meinen Augen hat sich die EZB zum Handlanger machen lassen, der Politikern Zeit kauft. Zeit für Politiker in Athen, Berlin, Brüssel und Paris, die unfähig sind, die Probleme eines Landes zu lösen, das keine zwei Prozent zur Wirtschaftsleistung der Eurozone beiträgt. Ein unwürdiges Spiel.
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