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Politik

Erdogan bleibt hinter Schulz und Yildirim zurück

Christian Buttkereit  Kommentarbild app
Christian Buttkereit
22. Mai 2017

96 Prozent für Erdogan. Mit diesem Ergebnis ist der Präsident der Türkei an die Spitze seiner Partei gewählt worden. Das Ergebnis macht Hoffnung, meint Christian Buttkereit: Denn offenbar hat Erdogan noch Gegner.

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Türkei Parteitag AKP in Ankara Erdogan
Bild: Reuters/M. Sezer

Recep Tayyip Erdogan erhielt gut 96 Prozent der Delegiertenstimmen. Ein mehr als beachtliches Ergebnis. Und trotzdem wird es ihn nicht zufriedenstellen. Nicht etwa weil er dem deutschen SPD-Chef Martin Schulz seine 100 Prozent neiden wird. Eher schon Binali Yildirm. Erdogans Gefolgsmann, Ministerpräsident und Platzhalter an der AKP-Spitze erhielt 2014 ebenfalls jene Schulz‘schen 100 Prozent bei der Wahl zum Vorsitzenden.

Ein Hauch von Widerstand in der Partei

Erdogan weiß also, dass da eigentlich mehr geht in der AKP als seine 96 Prozent. Und er weiß, dass ihm zwischen 50 und 60 der 1472 Delegierten ihre Stimme verweigert haben. Es ist bereits das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass sich Erdogan auf seine Leute nicht verlassen kann. Jedenfalls nicht hundertprozentig.

Beim Verfassungsreferendum im Juli gab es ebenfalls weniger Ja-Stimmen als AKP-Anhänger. Die gute Nachricht ist deshalb: Auch wenn man angesichts der Erdogan-Festspiele an diesem Sonntag den Eindruck haben kann - ein reiner Erdogan-Wahlverein ist die AKP nicht.

Unter dem Lärm heroischer Lieder und dem Meer von AKP-Fahnen herrscht noch eigenständiges Leben, gibt es immer noch Menschen, die Erdogan Grenzen aufweisen wollen. Wenn auch nicht viele. Ebenso wie beim Referendum, wo manche AKP-Anhänger mit Nein gestimmt haben. Nicht etwa weil sie Erdogan nicht wollten - sie wollen ihn nur nicht in allen Ämtern gleichzeitig.

Deutschland Christian Buttkereit
Christian Buttkereit vom Südwestrundfunk ist Korrespondent im ARD-Studio IstanbulBild: SWR/A. Kluge

Parteiinterne Hexenjagd befürchtet

Die schlechte Nachricht: Erdogan wird das nicht auf sich sitzen lassen. Manche erwarten bereits eine parteiinterne Hexenjagd auf die Widersacher. Unter ihnen dürften auch noch einige verbliebenen Gülen-Anhänger sein, die es in der AKP immer noch gibt.

In seiner Parteitagsrede kündigte Erdogan an, die Institutionen der Partei einer Überprüfung zu unterziehen. Damit dürfte kaum gemeint sein, zu untersuchen, ob sie effektiv arbeiten und ihre Kassenbücher richtig führen: Es geht darum, die Partei zu säubern. Vor allem von Anhängern des ehemaligen Weggefährten und mittlerweile größtem Staatsfeind Fetullah Gülen. Ähnlich wie nach dem Putschversuch vom vergangenen Sommer dürften dabei wieder Nicht-Gülenisten gleich mit ausgekehrt werden. Erdogan weiß ja, wie das geht.

Sollte dieses Großreinemachen gelingen, wäre die AKP wirklich nur noch ein Erdogan-Wahlverein. Einer Volkspartei, was sie zweifelsohne ist, wäre das nicht würdig. Schaffen es die kritischen Geister zu überleben, täte das der AKP gut.

Wird er der Präsident aller Türken?

Erdogans Wohl und Wehe in den nächsten Jahren wird nicht davon abhängen, ob es ein paar Widersacher in der Partei gibt oder nicht. Erdogan wird daran gemessen werden, ob es ihm jetzt gelingt, Präsident aller Türken zu sein. Davon hat er sich durch die Übernahme der Position des Parteivorsitzenden allerdings weiter entfernt.

Erdogan wird auch daran gemessen werden, wie gut er die Probleme der Türkei in den Griff bekommt. Etwa die schwächelnde Wirtschaft oder die unglückliche Rolle der Türkei im Syrienkrieg. In erster Linie davon dürfte das Wahlergebnis in zwei Jahren abhängen, wenn sich Erdogan erstmals zum Superpräsidenten mit absoluten Vollmachten als Staatspräsident, Parteivorsitzender und Regierungschef küren lassen will.

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