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Frankfurter Buchmesse - zwischen Politik und Plüschtier

Jochen Kürten
Jochen Kürten
21. Oktober 2016

Es wird viel geredet in Frankfurt über Flucht und Vertreibung, über Schreiben im Exil und Lesen in der Diktatur. Doch wer meint, bei der Buchmesse drehe sich alles um Politik, der täuscht sich, meint Jochen Kürten.

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Frankfurter Buchmesse 2016 Hoffmann und Campe
Can Dündar, einer der Autoren der Stunde - aber auch er muss sich neben Stars aus Film und Fernsehen behauptenBild: DW/J. Kürten

Es ist immer eine Sache der Wahrnehmung. Wer bei der Eröffnung der 68. Frankfurter Buchmesse zugegen war, dort den Appellen und Reden zur Meinungsfreiheit gelauscht und womöglich in den Tagen danach Veranstaltungen zur Türkei oder Syrien besucht hat, der kann zu der Überzeugung kommen, bei der Messe handele es sich um einen Treffpunkt der Kämpfer für die Freiheit.

Das kann man so sehen. Und es gibt ja auch viele Texte und Bücher, die von Krieg und Vertreibung handeln und über das Leid der Menschen in einer Diktatur berichten, Sachbücher wie Romane.

Der gerade erst zum Exil-Autor gewordene türkische Journalist Can Dündar, der sich, immer von Bodyguards begleitet, durch die Messe-Hallen bewegt, ist in diesen Tagen ein gefragter Gesprächspartner.

Das Buch "Nujeen - Flucht in die Freiheit" des heute 17-jährigen Flüchtlingsmädchens Nujeen Mustafa aus Aleppo, in dem sie - gemeinsam mit der Journalistin Christina Lamb - über ihre noch frische Erfahrungen auf der Flucht im Rollstuhl nach Deutschland berichtet, hat großes Interesse hervorgerufen.

Auch Exil-Autoren geraten irgendwann in Vergessenheit

Schon viel weniger Aufmerksamkeit dagegen erregt ein bereits seit 20 Jahren im deutschen Exil lebender Schriftsteller wie Abbas Maroufi. Der war in den 1990er Jahren im Iran zu Peitschenhieben, Haft und Publikationsverbot verurteilt worden und konnte 1996 auch mit Hilfe von Günter Grass ausreisen.

Ein Autor wie Dündar ist gerade in aller Munde, an einen Exilschriftsteller wie Abbas Maroufi haben sich viele hierzulande viele schon "gewöhnt".

Kuerten Jochen Kommentarbild App
Jochen Kürten, DW-Kulturredaktion

Wenn Fernsehmagazine und Zeitungen jetzt bei ihrer Buchmessenberichterstattung über Dündar und die Türkei sprechen, dann ist das natürlich richtig und wichtig. Auch die diesjährige Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, die Publizistin Carolin Emcke, steht für engagiertes Schreiben über Krieg und Ausgrenzung.

Doch man kann die Frankfurter Buchmesse auch völlig anders wahrnehmen. Dafür muss man auch nicht blind auf einem Auge sein. Die Buchmesse ist nämlich ein riesiger, unübersichtlicher Supermarkt, in dem der Gegenstand Buch zwar noch eine Hauptrolle spielt, sich diese aber inzwischen mit einigen anderen Playern teilen muss.

Die Messe als Spiegel der großen Buchhandlungen

So wie sich die großen städtischen Buchhandlungen in Deutschland in den letzten Jahren hin zu bunten Gemischtwarenläden gewandelt haben, so hat sich auch die Frankfurter Bücherschau verändert. Wenn also von Veranstalterseite stolz verkündet wird, dass auch in diesem Jahr wieder über 7000 Aussteller dabei sind, dann ist das erst einmal nur eine Aussage über die Quantität.

Streift man durch die Hallen auf dem Messegelände, dann kann es einem nämlich passieren, dass man manchmal ein paar hundert Meter gar kein Buch mehr sieht. Gourmetstände und ein reichhaltiges Spielzeugangebot, Kunstobjekte, Kalender und Plüschtiere in allen Farben und Formen, Designer-Stände, Schreibwaren und diverse Initiativen und private wie staatliche Organisationen tummeln sich auf der Messe. Der Trend zum Non-Book-Stand nimmt gewaltig zu in Frankfurt.

Ratgeber und Esoterik dominieren

Und selbst dann, wenn man mal wieder Verlagskojen mit richtigen Büchern erreicht, ist man erstaunt, was hier alles angeboten wird. Ratgeber über Ratgeber, Esoterisches in allen Spielarten, Reise- und Foodliteratur - zwischen zwei Buchdeckel passt so ziemlich alles. Wer es sich leisten kann die immens hohen Stand-Gebühren in Frankfurt zu zahlen, der bucht eine Koje oder ein ganzes Areal auf der Messe. Das können sich aber viele literarische und geisteswissenschaftliche Verlage schon seit längerem nicht mehr leisten – sie bleiben der Messe fern.

Wenn man aus der Ferne auf die "weltgrößte Bücher-Show" schaut, sollte man dies immer im Auge haben. Romane und Sachbücher spielen noch eine wichtige Rolle. Veranstaltungen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen gibt es einige. Doch insgesamt gleicht die Buchmesse inzwischen einem riesigen Gemischtwarenladen mit einem sehr vielfältigen Angebot. Wie gesagt - alles eine Sache der Wahrnehmung.

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