Die 56. Minute des Halbfinals gegen Belgien. An der Strafraumgrenze nimmt Kylian Mbappé den Ball mit dem Rücken zum Tor stehend mit rechts an, legt ihn sich auf links und spielt ihn dann mit der Hacke in den Strafraum. Das Ganze so schnell, dass die technische Perfektion erst in der Zeitlupe offenbar wird. Der Traumpass landet bei Olivier Giroud, der an Belgiens Torwart Thibaut Courtois scheitert. Die Szene ist nicht spielentscheidend, doch sie zeigt das ungeheure Potential, das in der Equipe tricolore steckt.
Die Abwehr muss stehen
Gerade einmal 19 Jahre alt ist Mbappé, pfeilschnell, torgefährlich, dazu ein Filigrantechniker. Kein Zweifel, er hat das Zeug, der nächste Weltstar vom Schlage eines Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi zu werden. Dass aber nicht er, sondern mit Samuel Umtiti ein Abwehrspieler die Franzosen ins Endspiel der WM köpft, spricht Bände. Nationaltrainer Didier Deschamps hat sich nicht verrückt machen lassen. Spätestens seit dem verlorenen Finale der Heim-EM 2016 weiß er, dass schönes Spiel zwar in Einzelfällen Applaus bescheren mag, dass jedoch ohne eine sichere Defensive mit robusten und kopfballstarken Verteidigern kein Turnier zu gewinnen ist.
Perfektes Umschaltspiel
Noch in der Gruppenphase, als seine Mannschaft wie mit angezogener Handbremse spielte, musste sich Deschamps harsche Kritik gefallen lassen. Doch in der K.o.-Phase des Turniers, wo es darauf ankommt, zeigen "Les Bleus", die Blauen, wozu sie in der Lage sind. Hinten können sie sich auf den 31 Jahre alten Hugo Lloris, einen erfahrenen Weltklasse-Torwart, hundertprozentig verlassen. Die Defensive steht kompakt - und das Umschaltspiel nach vorne funktioniert nahezu perfekt. Spieler wie Paul Pogba, Antoine Griezmann und natürlich Mbappé haben die nötige technische Klasse und können das Spiel so schnell machen, dass jede gegnerische Abwehr Gefahr läuft auseinanderzufliegen.
Richtige Mischung zwischen Jung und Alt
Nationaltrainer Deschamps hat geschafft, was seinem deutschen Kollegen Joachim Löw diesmal gründlich misslungen ist: Er hat die richtige Mischung aus erfahrenen und ambitionierten jungen Spielern gefunden, denen eins gemeinsam ist: der Hunger nach Erfolg. Egal, ob der Finalgegner am Sonntag England oder Kroatien heißt - die Equipe tricolore läuft als Favorit auf. Sie ist einfach reif für den Titel. Da kann sie es sich sogar leisten, Mbappé zaubern zu lassen. Auch wenn daraus nicht immer ein Treffer entsteht, einer dieser genialen Momente kann diese WM entscheiden.
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