Frechheit siegt
10. April 2014Erstmals seit Ausbruch der Schuldenkrise vor mehr als vier Jahren hat sich Griechenland wieder mit einer Anleihe auf den Kapitalmarkt gewagt. Das Land hat ein Papier mit fünfjähriger Laufzeit erfolgreich im Markt platziert und rund drei Milliarden Euro eingesammelt. Die Nachfrage sei riesig gewesen, die Zinsen seien niedrig, hieß es dazu aus Athen.
Drei Milliarden Euro retten die Welt nicht, sind aber als klares innenpolitisches Signal zu verstehen. Seht her, wir haben den Umschwung geschafft, die Märkte vertrauen uns wieder, es gibt keinen Anlass, uns bei den kommenden Europawahlen abzustrafen und europafeindliche Parteien zu wählen - so lautet die Botschaft nach innen. Doch um es ganz deutlich zu sagen: Reif für den privaten Kapitalmarkt ist das Land, wenn man sich die wirtschaftlichen Fundamentaldaten anschaut, noch auf Jahre hinaus nicht.
Seit Ausbruch der Krise ist die Wirtschaftsleistung des Landes von rund 230 auf 180 Milliarden Euro geschrumpft. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit Beginn der Krise mehr als verdoppelt, sie liegt momentan bei 27 Prozent. Die Staatsverschuldung ist seit Ausbruch der Krise nicht nur nicht gesunken, sondern von 300 auf 320 Milliarden Euro gestiegen - und das trotz eines Schuldenschnitts, bei dem private Gläubiger auf rund 100 Milliarden Euro verzichten mussten.
Mit einer Staatsverschuldung von knapp 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist Griechenland nach Japan das am höchsten verschuldete Land der Welt - es hätte eigentlich einen zweiten Schuldenschnitt dringend nötig, sagen Fachleute. Trotzdem ist der Gang zum Kapitalmarkt ein Erfolg geworden, ein Erfolg, der vorhersehbar war. Denn Frechheit siegt, und zudem kann sich Athen auf die Gier der Anleger verlassen. Dass die Probleme des Landes noch immer gewaltig sind, spielt für die Investoren keine Rolle. Denn die neue Anleihe aus Athen bietet vergleichsweise hohe Zinsen - und im Notfall stehen ja Europas Steuerzahler bereit, falls Athen seine neuen Schulden nicht mehr bedienen kann.
Griechenland profitiert zudem davon, dass Anleger momentan massenhaft Kapital aus den Schwellenländern abziehen, seitdem die US-Notenbank Fed eine straffere Geldpolitik angekündigt hat und ihr Anleihekaufprogramm sukzessive zurückfährt. Dieses Kapital sucht neue Anlagemöglichkeiten und möglichst hohe Renditen. Weil aber Anleihen mit erstklassiger Bonität - wie etwa deutsche Papiere - nur sehr niedrige Zinsen abwerfen, haben Investoren die Euro-Krisenländer wiederentdeckt. Auch spanische und italienische Anleihen haben schon davon profitiert - ihre Kurse sind gestiegen, die Renditen zum Teil deutlich gesunken.
Zudem möchte Athen so kurz vor dem Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag besonders schick dastehen. Das Land ist zwar noch auf Jahre hinaus auf Hilfsgelder des IWF und der Europäischen Union angewiesen - doch es möchte um jeden Preis ein drittes Hilfspaket vermeiden, weil das mit neuen Sparauflagen verbunden wäre. Deshalb rechnet man sich die Welt schön und behauptet, man habe schon im vergangenen Jahr einen Primärüberschuss im Haushalt erzielt, sprich: Ausgaben und Einnahmen seien vor Abzug der Zinszahlungen ausgeglichen gewesen.
Das wäre allerdings ein Wunder. Denn in den ersten drei Quartalen klaffte zwischen Einnahmen und Ausgaben noch eine gewaltige Lücke von rund 17,6 Milliarde Euro, meldet das europäische Statistikamt Eurostat. Folglich muss im letzten Quartal ein Wunder geschehen sein, um für das Gesamtjahr noch einen Überschuss ausweisen zu können. In zwei Wochen will Eurostat endgültige Zahlen vorlegen. Bis dahin sollte Athen aufpassen, dass der Begriff "griechische Zahlenspiele" sich nicht ebenso fest einbürgert wie die berühmten "potemkinschen Dörfer".