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Kommentar: Frieden in Sicht?

3. September 2010

Es waren die ersten direkten Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern seit 20 Monaten. Ein Fortschritt also. Dennoch bewertet Rainer Sollich die Aussichten auf eine historische Einigung eher pessimistisch.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Schon bemerkenswert: Da stehen zwei Männer, die erst kürzlich noch massiv zu direkten Gesprächen und kleineren Friedenskompromissen gedrängt werden mussten, scheinbar wesensverändert in Washington und beschwören ihr gemeinsames abrahamisches Erbe. Nur gemeinsam könne man beide Völker in eine "historische Zukunft" führen - beteuert Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas salutiert artig, man wolle nun endlich gemeinsam in "eine neue Ära" aufbrechen. In einem Jahr soll nun erreicht werden, was über 60 Jahre lang misslungen ist: ein Ausgleich zwischen beiden Völkern.

Will man das wirklich? Und haben beide Männer die nötige Macht und Entschlossenheit dazu? Skepsis ist leider angebracht. Netanjahu erklärt zwar wohlfeil, dass beide Seiten selbstverständlich "schmerzhafte Zugeständnisse" machen müssten. Er selbst lässt bisher aber nicht einmal die Bereitschaft erkennen, den am 26. September endenden Teil-Stopp für jüdische Siedlungsbauprojekte in den Palästinensergebieten zu verlängern. Er weiß genau: In seiner jetzigen Regierungskoalition könnte er einen solchen Schritt kaum durchsetzen.

Abbas' Mandat ist eigentlich abgelaufen

Mahmud Abbas hat es noch schwerer: Während Netanjahu notfalls seine Regierung umbauen könnte, um sich einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern, stellt sich beim Palästinenserpräsidenten sogar die Frage nach der demokratischen Legitimität: Sein Mandat ist vor eineinhalb Jahren abgelaufen, seit dem Putsch der radikalislamischen Hamas im Sommer 2007 hat er keinerlei Kontrolle mehr über den Gazastreifen.

Auch Abbas' Kompromissfähigkeit ist kritisch zu hinterfragen. Man findet derzeit zwar kaum einen palästinensischen Spitzenpolitiker, der den Forderungen der USA derart weit entgegenkommen würde wie Abbas. Er ist damit aber auch der schwächste Palästinenserführer seit langem. So schwach, dass man sich kaum vorstellen kann, wie er einen schmerzhaften Kompromiss in seinem Volk überhaupt durchsetzen könnte.

Die Friedensgegner machen mobil

Die Friedensgegner in Nahost wissen solche Schwächen auszunutzen und machen bereits auf beiden Seiten mobil: Jüdische Siedler kündigen den Bau weiterer illegaler Wohneinheiten in den besetzten Gebieten an - die Hamas droht sogar mit weiteren tödlichen Anschlägen auf Israelis. Trotz scharfer ideologischer Gegensätze und gegenseitigem Hass verbünden sich Radikale auf beiden Seiten damit faktisch wieder zu einer gefährlichen Allianz, die mit einzelnen gezielten Aktionen die Friedensgespräche schnell zum Scheitern bringen könnte.

Zu Optimismus geben leider nur wenige Faktoren Anlass: Dazu gehört die Tatsache, dass Pläne für einen historischen Ausgleich bereits seit Jahren fertig in den Schubladen liegen; die Tatsache, dass Araber und Israelis heute beide den iranischen Einfluss in der Region zurückdrängen möchten. Und dazu gehört die Theorie, dass angesichts eines sehr unterschiedlichen Bevölkerungswachstums nur noch durch die Gründung eines Palästinenserstaates verhindert werden könne, dass Juden irgendwann in Israel selbst zur Minderheit werden.

All dies erscheint logisch. Aber logische Einsichten haben in diesem Konflikt bisher selten eine Rolle gespielt.

Autor: Rainer Sollich
Redaktion: Martin Muno