1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Gut gemeint, doch ziemlich naiv

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky
11. Oktober 2019

Der Preisträger ist zweifellos ein Reformer. Der Friedensprozess mit Eritrea ist aber längst ins Stocken geraten. Der Nobelpreis für Abiy Ahmed ist deshalb ein falsches Signal, meint Ludger Schadomsky.

https://p.dw.com/p/3R7o8
Äthiopien Abiy Ahmed Premierminister
Äthiopiens Premier Abiy Ahmed unterzeichnete den Friedensvertrag mit Eritrea am 16. September 2018Bild: picture-alliance/AP Photo/Saudi Press Agency

Die Verleihung des Nobelpreises ist - trotz einer Reihe eher fragwürdiger früherer Preisträger wie Barack Obama oder der Europäischen Union - nach wie vor von großer symbolischer Strahlkraft. Und deshalb ist die Prämierung des jungen Reformers in Addis Abeba falsch.

Um nicht missverstanden zu werden: Abiy Ahmed hat seit seiner Amtsübernahme im April 2018 in Afrikas zweit bevölkerungsreichstem und geostrategisch so wichtigen Land Reformen angestoßen, die nicht hoch genug zu bewerten sind. Er hat die Folterknäste aufgesperrt und den Medien den Maulkorb abgenommen. Das alles verdient höchste Anerkennung, auch wenn die anfängliche Euphorie inzwischen etwas gedämpft ist.

Frieden mit Eritrea? Eher Friedhofsruhe

Den Friedensnobelpreis hat Abiy freilich weniger für seine "wichtigen Reformen" daheim bekommen, sondern explizit für seine Bemühungen um einen dauerhaften Frieden mit dem Erzrivalen Eritrea, mit dem sich Äthiopien um die Jahrtausendwende herum verlustreiche Grenzkriege geliefert hat. Und war es nicht in der Tat sehr bewegend, als auf Abiys Betreiben hin am 18. Juli 2018 Familienangehörige, die zwei Jahrzehnte getrennt waren, einander erstmals in die Arme fallen konnten?

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky leitet die Amharische Redaktion

Allein: Die Friedensbemühungen treten auf der Stelle, wenn sie nicht gänzlich erlahmt sind. Ja, Familienangehörige und Geschäftsleute können heute zwischen den 50 Flugminuten entfernten Hauptstädten Addis Abeba und Asmara pendeln. Doch bleibt dieser Weg einer kleinen Elite vorbehalten. Die für den Personen- und Warenverkehr viel wichtigeren Grenzübergänge wie Zalambessa, mit großem Bahnhof geöffnet, sind inzwischen alle wieder geschlossen - auf Betreiben Eritreas, wie die Äthiopier beteuern. Die anfängliche Pendeldiplomatie zwischen Abiy und Eritreas Autokraten Isaias Afewerki ist erlahmt. Die eritreische Botschaft in Addis Abeba ist nach wie vor verrammelt, die vollmundigen Wirtschaftsverträge wurden nie mit Leben gefüllt. Vielmehr schmieden beide Länder getreu der Jahrhunderte alten Maxime am Horn von Afrika, wonach der Feind meines Feindes mein Freund ist, heute wieder unheilige strategische Allianzen mit Ländern jenseits des Roten Meeres. 

Gefährdet der Preis am Ende die Friedensbemühungen?

Abiy hat den höchsten Friedenspreis also bekommen für einen Frieden, der in erster Linie auf dem Papier existiert. Schlimmer noch: Am Ende könnte die Verleihung eben jene Friedensbemühungen sogar torpedieren. Indem sich nämlich die eritreische Führung noch weiter als bislang geschehen unter Zugzwang gesetzt fühlt. Wer derart skrupellos ein ganzes Volk zwecks eigenen Machterhaltes in Ketten hält wie der brummige Autokrat in Asmara, der lässt sich ungern von einem halb so alten Charismatiker in aller Weltöffentlichkeit düpieren.

Darling auf der Weltbühne. Daheim hagelt es Kritik

Innenpolitisch liefert die Prämierung jenen Kritikern Futter, die den Politikstil des jung-dynamischen Ministerpräsidenten als abgehoben und in der Sache wenig substanziell brandmarken. Der PR-optimierte Auftritt des von einer beispiellosen "Abyimania" begleiteten Premiers ruft im zutiefst wertkonservativen Äthiopien Missgünstige auf den Plan, die dem ehemaligen Geheimdienstler zudem unlautere Machenschaften zugunsten seines Volkes, der Oromo, unterstellen. Und nicht nur Äthiopier, sondern auch Entwicklungspartner beobachten den Personenkult und die bisweilen arg erratischen und wenig kommunizierten Regierungsstil des Jungdynamikers mit Sorge.

Medemer gut und schön. Aber ist Abiys Versöhnungspolitik nachhaltig genug?

Abiys Prämierung erinnert damit unglückseligerweise an die des südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung, der 2000 gerade zwei Jahre im Amt war, als er für seine Friedensbemühungen mit Nordkorea geehrt wurde. Die Entwicklung ist bekannt.

Viel ist jetzt von "Medemer" die Rede, Abiys programmatische Versöhnungspolitik. Am Donnerstag, einen Tag also vor der Bekanntgabe des Nobelpreises, fand auf Einladung des jetzt Gekürten in Addis Abeba eine große "Medemer"-Feier mit Staatschefs aus der gesamten Region statt. Sudan, Somalia, Uganda - alle waren sie vertreten. Nur ein Gast fehlte im Kreis: der eritreische Präsident Afeweri, mit dem Abiy doch "Versöhnung" gefeiert hatte. Die Verleihung des Nobelpreises dürfte die Hürden für Abiy eher höher als niedriger gemacht haben.